Schließung oder Zukunft? Bis Mittwoch entscheidet der ver.di-Gewerkschaftsrat über die Zukunft des Instituts für Bildung, Medien und Kunst in Ostwestfalen
(…) Im Teutoburger Wald liegt das Institut für Bildung, Medien und Kunst – eine von zehn Bildungsstätten der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. 1954 bauten es die Mitglieder des grafischen Jugendvereins der örtlichen IG Druck und Papier auf – als Erholungs- und Schulungsheim in Lage-Hörste, einem Ort der vielen Gewerkschaftern ein Begriff ist.
Seitdem ist viel passiert. Die „DruPa“ ging 1985 in der IG Medien und 2001 in ver.di auf, ganze Berufsgruppen wie die kampfstarken Setzer sind verschwunden. Heute krempeln digitale Revolution und Internet die Medienlandschaft um, die Auflagen der Tageszeitungen sinken, und niemand weiß, welches Schicksal den Druckern winkt. Doch zwei Dinge sind geblieben: Hörste ist immer noch ein Zentrum der Reflexion und Strategiediskussion für die Beschäftigten der Druck-, Papier- und Verlagsbranche. Und es ist immer noch ein Ort, wo große gesellschaftspolitische Themen auf der Agenda stehen: „Einführung in die Kritik der politischen Ökonomie“, „Teufelstanz auf dem Finanzparkett“ heißen die Seminare oder „Gegenentwürfe: Rückeroberung der Kommunen durch die Bürger“.
Als das ver.di-Bildungszentrum die Veranstaltung zur Kritik der politischen Ökonomie beim nordrhein-westfälischen Arbeitsministerium zur Zulassung als Weiterbildungsseminar nach § 37 (7) Betriebsverfassungsgesetz einreichte, legten die Unternehmerverbände Widerspruch ein. Begründung: Der Inhalt weise nicht die nötige Nähe zur Betriebsratsarbeit auf. „Wir haben uns dann pragmatisch entschieden, es in diesem Jahr nur als Bildungsurlaub anzubieten“, sagt Institutsleiter Josef Peitz schmunzelnd, „und das Interesse ist groß, das Seminar ist ausgebucht.“
Es ist ein sonniger Montagmorgen Ende Mai. Die Fichtenwälder rund ums ver.di-Bildungszentrum im Teutoburger Wald glänzen noch vom Frühtau, doch im großen Seminarraum wird konzentriert gearbeitet. Dicht gedrängt sitzen 46 Betriebsräte aus der Faltschachtelindustrie, die heute mit ihrem jährlichen Branchenseminar starten. Eine Woche lang werden sie über die Situation ihres Industriezweigs, Weltmarktpreise, Konzentrationsprozesse, Arbeitgeberstrategien, Betriebsvereinbarungen und Tarifpolitik diskutieren.
„Das ist unser Haus“, sagt Karin Hoffmann, Betriebsrätin bei einem Verpackungsproduzenten mit 240 Beschäftigten in Ulm, auf die Frage, warum sie Hörste jedem Tagungshotel vorzieht. Und: „Das Branchenseminar ist ein Muss. Hier lernst du immer was dazu, hier wird politisch diskutiert, hier gibt es ein anderes Bewusstsein.“ Am wichtigsten ist ihr dabei „der Austausch mit den Kollegen“. Und dieses Netzwerk bringt ganz praktische Vorteile, berichtet Horst Heyn, Betriebsrat bei Landerer in Neuenstadt.
„Wenn mein Chef zu mir sagt, beim Mitbewerber Sowieso arbeiten sie jetzt sonntags, da müssen wir nachziehen, dann schau ich in mein Notizbuch und rufe den Kollegen dort an.“ Auf die Art konnte schon manche allzu forsche Arbeitgeberbegehrlichkeit auf Normalmaß zurückgestutzt werden.
JUNGE LEUTE, DIE GEWERKSCHAFT ENTDECKEN
Wie in anderen Branchen auch sind in der Druckindustrie Werkvertragsanbieter auf dem Vormarsch. „Das ist eine Reaktion auf die Regulierung der Leiharbeit“, sagt Tarifsekretär Siegfried Heim. Es ist aber auch ein Instrument der Tarifflucht, die in der Druckindustrie seit Jahren unvermindert anhält. Mittlerweile sind die weißen Flecken größer als die regulierten Bereiche. Aber: „Kein Trend ist unumkehrbar“, sagt Heim, „und je mehr die Arbeitgeber den Bogen überspannen, desto heftiger wird es auf sie zurückschlagen.“ Die alte Avantgarde der IG Druck und Papier, die Setzer und Metteure, gibt es nicht mehr, die Drucker führen Rückzugsgefechte. Aber auf einmal tut sich etwas in der Papierverarbeitung, einer Branche, die man früher als Anhängsel der Druckindustrie ansah. „Da kommen junge Leute, Mitte 20, die plötzlich die Gewerkschaft entdecken. Aufstocker, die Rückgrat zeigen.“ Das sind die Kollegen, an die Peitz und sein Team mit der Reihe „Aktiv in ver.di“ heranwollen mit Organizing-Seminaren wie „Von eigener Wut zu gemeinsamen Taten – mit Organizing zum kollektiven Handeln“ oder „Anliegen und Probleme lösen – Kampagnen erfolgreich planen und organisieren“. (…)
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