Angela Merkel, Kanzlerin der Zwei-Drittel-Gesellschaft. Von der Dystopie zur neokonservativen Normalität

Vor 33 Jahren erfand Peter Glotz (einer der letzten sozialdemokratischen Theoretiker) den Begriff der Zwei-Drittel-Gesellschaft – nicht als Zustandsbeschreibung, sondern als düstere Vorahnung dessen, wovor man sich neben Atomkrieg und saurem Regen in den 80er Jahren fürchtete. Fünfzehn Jahre später war aus Glotz‘ Dystopie ein rot-grünes Reformprogramm geworden, das die Bundesrepublik Deutschland ähnlich tiefgreifend verändern sollte wie 1968, die sozial-liberale Brandt/Scheel-Koalition oder Helmut Kohls Wiedervereinigung. Tatsächlich wurde erst mit der Agenda 2010 und den Hartz-Gesetzen die Zwei-Drittel-Gesellschaft als der künftige Normalzustand der Bundesrepublik Deutschland nachhaltig etabliert. Das Konzept einer konformistischen „neuen Mitte“, deren wirkliche und gefühlte Prosperität auf der Ausnutzung prekärer Billigarbeit sozial abgehängter Niedriglohnbeschäftigter beruht, ist ein durch und durch konservatives Gesellschaftsmodell. Es war nicht verwunderlich, dass der politisch ideologische „Überbau“ die Verwerfungen der sozioökonomischen „Basis“ irgendwann nachvollziehen würde. Die Stabilität, ja geradezu Alternativosigkeit, der nun seit zwölf Jahren andauernden Kanzlerschaft Angela Merkels ist die logische Folge dieser neoliberalen Konterrevolution mit sozial-ökologischem Antlitz. Shit happens, SPD.