Ryanair ist aus gewerkschaftlicher Sicht der Inbegriff eines beschäftigtenfeindlichen und antigewerkschaftlichen Managements schlechthin. Über mehr als zwei Jahrzehnte war die Airline Taktgeber der Prekarisierung im europäischen Luftverkehr – der Aushöhlung tariflicher Standards und der Erosion von Arbeitermacht unter gezielter Ausnutzung der politisch vorangetriebenen Liberalisierung des Sektors. Lange hatten die europäischen Gewerkschaften wenig Erfolg, diesem race to the bottom etwas entgegenzusetzen. Erst der fast ganz Europa umfassende Arbeitskampf der Ryanair-Beschäftigten 2017/18 markiert hier eine Zäsur. Damit gelang es, Ryanair zur Anerkennung von Gewerkschaften zu zwingen und in verschiedenen Ländern Tarifverträge zu erkämpfen. Verschiedene Faktoren führten dazu, dass sich Ende 2017 ein window of opportunity öffnete. Nicht der einzige, aber ein entscheidender, Faktor war die strategische Entscheidung der Gewerkschaften, in eine systematisch vorbereitete und koordinierte Auseinandersetzung mit Ryanair zu gehen – mit Mut zum Konflikt und über Ländergrenzen und Berufsschranken hinweg.
Jörn Boewe/Florian Butollo/Johannes Schulten
Organizing Ryanair. Die transnationale Gewerkschaftskampagne bei Europas Billigfluglinie Nummer eins
Rosa-Luxemburg-Stiftung, Berlin, März 2021