Nicht ersetzbar: Nach 38 Jahren verlässt Reinhard Bispinck das WSI
Von Jörn Boewe, Magazin Mitbestimmung 03/2017
Im Englischen nennt man sie pragmatisch collective bargaining research, im Deutschen hat die »Tarifvertragsforschung« keinen richtigen Namen. Hat sie nicht? Doch: Sie heißt Reinhard Bispinck. 38 Jahre lang war der Volkswirtschaftler und gelernte Journalist wissenschaftlich am WSI tätig, 28 Jahre lang leitete er das WSI-Tarifarchiv.
Letzteres wurde unter seiner Leitung zu einer »Fundgrube für alle, egal ob sie nun gewerkschaftsnah oder Neoliberale sind oder was auch immer«, sagte Hagen Lesch vom IW Köln in seiner Laudatio – ein Lob, umso geradliniger, als es aus dem politischen Lager von Bispincks Kontrahenten kommt. Ungezählte Dankesreden wurden gehalten, was nur erträglich war, weil sie von Herzen kamen. »Reinhards Besonnenheit, Beharrlichkeit und Humor fast britischen Standards« hob Andy Watts vom IMK hervor, seine »besondere Beziehung zu Italien, Antonio Gramsci und dem PCI« Salvo Leonardi von der CGIL.
Beeindruckender noch als seine wissenschaftlichen Verdienste ist nur die Wucht, mit der ihn seine Abteilung vergöttert. An seinem letzten Abend als Leiter des WSI-Tarifarchivs wollte sie ihn jedenfalls nicht loslassen. Wissenschaftliche Mitarbeiter und Büroangestellte – Leute die vermutlich nicht alle Tage in der Hip-Hop-Szene unterwegs sind – verabschiedeten sich mit einem Rap, den sie eigens auf ihren Chef zugeschrieben und als Musikvideo festgehalten hatten. Und, nein, es war nicht peinlich, sondern witzig, originell und zu Tränen rührend.
»Seine Mitarbeiter würden ihm blind in jede Schlacht folgen«, sagte WSI-Direktorin Anke Hassel. »Seine Stärke kam aus der vorbehaltlosen Solidarität mit den Kollegen«, seine prägendste Charaktereingenschaft sei »Loyalität gegenüber Mitarbeitern und Vorgesetzten«. In vielen kontroversen Debatten am Institut habe am Ende »Reinhards Stimme immer entschieden, manchmal auch nur ein Kopfnicken oder ein Lächeln«, so Hassel. »Er ist nicht ersetzbar für uns und wird eine große Lücke hinterlassen.«