Harter Arbeitskampf beim Textildiscounter um die Tarifverträge des Einzelhandels
Von Johannes Schulten und Jörn Boewe, ver.di publik 08/2014
Ob es schon Ermüdungserscheinungen gibt? Michael Ullrich muss fast lachen. „Im Gegenteil“, sagt der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende der KiK-Logistik GmbH. Die Kolleg/innen, die sich am Streik beim Zentrallager des Textildiscounters in Bönen bei Dortmund beteiligen, werden sogar mehr. „Wir haben mit 180 angefangen, jetzt sind wir 225. Und die Stimmung ist bärenstark.“ Ullrich muss es wissen. Als Mitglied der ver.di-Tarifkommission berät er mit seinen sechs Kolleg/innen von Tag zu Tag, ob der Arbeitskampf fortgeführt wird. Dann wird das Ergebnis mit den Streikenden im Streiklokal im Kurpark abgestimmt – „bisher immer unter Jubel“, sagt er. Um der Geschäftsleitung Zeit zum Nachdenken zu geben, wurde der Streik aber jetzt vorerst ausgesetzt.Zehn Stunden Arbeitszeit täglich
Seit dem 17. November waren die Beschäftigten der KiK-Logistik-Tochter im Streik – der erste in der Geschichte des Textildiscounters. Sie fordern eine Anerkennung der Tarifverträge des Einzelhandels. – So wie es auch in den Logistikbereichen von Einzelhändlern wie Aldi, Lidl oder Kaisers üblich ist. Kaisers gehört wie KiK zur Mühlheimer Tengelmann-Gruppe. „Deshalb ist es nur konsequent“, so ver.di-Streikleiterin Christiane Vogt, „dass auch die KiK-Logistik GmbH nach Einzelhandelstarif zahlt“.
Die knapp 480 Beschäftigten hätten es auf jeden Fall nötig. Ein Lagerarbeiter anderswo in Nordrhein-Westfalen verdient laut gültigem Einzelhandelstarifvertrag 2106 Euro im Monat. Bei KiK sind es zurzeit lediglich 1650 Euro brutto. Dass ein Großteil der Kolleg/innen in Bönen beim Jobcenter zusätzlich zum Lohn „aufstocken“ muss, wundert wenig. Doch sie streiken nicht nur wegen der niedrigen Löhne. „Arbeitszeiten von zehn Stunden täglich sind eher die Regel als die Ausnahme“, sagt Betriebsrat Ullrich. In der Hauptsaison kommen sie oft auf 50 bis 60 Stunden in der Woche. Das Problem: Die Saison dauert bei KiK-Logistik von Juli bis Dezember. Dazu kommt der extrem frühe Schichtbeginn um vier Uhr morgens. „Viele Kollegen kommen aus Dortmund oder von noch weiter her. Die müssen um zwei Uhr nachts aufstehen, um pünktlich zu sein.“
KiK zeigt sich bisher uneinsichtig. Auf die Forderung, Tarifverhandlungen aufzunehmen, gab es keine Reaktion, so ver.di-Sekretärin Vogt. KiK-Geschäftsführer Burkhard Schültken erklärte auf einer Betriebsversammlung sogar, er werde „niemals“ einen Tarifvertrag unterzeichnen. Der Zutritt auf das Werksgelände wurde den Streikenden poli- zeilich untersagt, vor den vier Zufahrten zum Zentrallager patrouilliert ein privater Sicherheitsdienst mit Hunden.
Anfang Dezember wurde bekannt, dass KiK rund 140 Leiharbeiter als Streikbrecher einsetzt. Mit dabei: Die Hamburger Firma Ham-Log. Die ist Mitglied im Arbeitgeberverband IGZ, der mit dem DGB einen Tarifvertrag geschlossen hat, der den Einsatz von Leiharbeitern in bestreikten Betrieben ausschließt. Doch Ham-Log meint, eine Rechtslücke gefunden zu haben. Die Beschäftigten in Bönen seien keine Leiharbeiter, sondern im Rahmen eines Werkvertrags tätig, hieß es auf Nachfrage. Nach Weihnachten sollen die Streiks fortgesetzt werden – es sei denn, Schültken hat nachgedacht und will verhandeln.