Aufstieg, Fall und begrenztes Comeback der deutschen Windindustrie

Die deutsche Windindustrie erlebte zwischen 2010 und 2017 einen starken Aufschwung und galt als Innovationstreiber und Jobmotor. Während dieser Phase entstanden rund 160.000 Arbeitsplätze, und Deutschland entwickelte sich zu einem führenden Produktionsstandort. Allerdings führten regulatorische Änderungen, steigender internationaler Wettbewerb und strukturelle Defizite ab 2018 zu einem massiven Einbruch der Branche. Zwischen 2017 und 2022 verließen viele Unternehmen den Markt oder verlagerten ihre Produktion ins Ausland. Die industrielle Wertschöpfung in Deutschland nahm deutlich ab, und etwa 40.000 Arbeitsplätze gingen verloren.

Seit 2022 zeigen sich jedoch Anzeichen einer Erholung, unterstützt durch neue industriepolitische Maßnahmen und steigende Zubauraten bei Windkraftanlagen. Die Ampel-Regierung (2021–2024) förderte die erneuerbaren Energien mit beschleunigten Genehmigungsverfahren, angepassten Ausschreibungsmechanismen und finanziellen Anreizen. Infolgedessen gewann die Windbranche wieder an Dynamik, und Unternehmen wie Enercon und Siemens Gamesa investierten erneut in deutsche Standorte.

Dennoch bestehen weiterhin Herausforderungen. Internationale Konkurrenten, insbesondere aus China, setzen die deutschen Hersteller mit günstigeren und technologisch fortschrittlicheren Produkten unter Druck. Zudem bleibt unklar, ob die politische Unterstützung für die Windindustrie nach der Bundestagswahl 2025 anhält. Gewerkschaften wie die IG Metall haben in den letzten Jahren ihre Organisierungsbemühungen verstärkt und konnten die Tarifbindung in der Branche erhöhen, jedoch sind die Arbeitsbedingungen noch nicht flächendeckend stabilisiert.

Die Studie untersucht diese wirtschaftlichen Zyklen und diskutiert, ob die ökologische Transformation der Energieversorgung in Deutschland mit sozialer Absicherung und guten Arbeitsplätzen einhergeht. Die Zukunft der Windindustrie hängt maßgeblich von politischen Weichenstellungen, industrieller Wertschöpfung und gewerkschaftlichem Einfluss ab.

Jörn Boewe, Johannes Schulten: Rise, fall and limited comeback of the German wind industry: Is there (still) a perspective for green and good jobs?, in:
Béla Galgóczi (Hrsg.):  Fair ‘made in Europe’ industrial policy for wind power manufacturing in Europe. ETUI (European Trade Union Institute, 2025)

Weniger Risiko, mehr Trump?

Die USA haben China als wichtigsten Handelspartner Deutschland abgelöst. Die eine riskante Abhängigkeit wurde verringert, nun stolpert man in die nächste.

Jörn Boewe, der Freitag, 09/2025

Zum ersten Mal seit 2015 sind die USA wieder Deutschlands wichtigster Handelspartner und haben China in dieser Rolle abgelöst. Wurden 2024 zwischen Deutschland und den USA Waren und Dienstleistungen im Wert von 253 Milliarden Euro ausgetauscht, waren es mit China nur noch 246 Milliarden Euro. Zum Vergleich: 2022 hatte der Handel mit China noch bei 300 Milliarden Euro gelegen. Das waren 50 Milliarden mehr als zwischen Deutschland und den USA. Ein Jahr später war der Vorsprung der Volksrepublik auf 1,7 Milliarden Euro abgeschmolzen. Jetzt liegen die USA wieder auf Platz eins.

Diese Entwicklung ist das Ergebnis geopolitischer Spannungen, wirtschaftspolitischer Entscheidungen und einer sich verändernden industriellen Dynamik. Aber was sind die Konsequenzen? Wer profitiert, wer verliert? Und verfügt Deutschland über eine industriepolitische Antwort auf diese Herausforderung?
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