»Man bittet uns, dies oder das zu boykottieren«

Zugunsten eigener Forderungen hoffen Branchengewerkschaften auf Hilfe von Hafenarbeitern. Doch die können nicht stellvertretend kämpfen. Gespräch mit Niek Stam, junge Welt, 6. Juli 2016

Niek Stam ist Nationaler Sekretär der Hafenarbeitersektion der niederländischen Gewerkschaft FNV Bondgenoten

Die Finanzkrise schlug auch auf den Seehandel durch. Nach den schwachen Jahren 2008 und 2009 wächst die Branche nun wieder. Bedeutet das Entspannung für die Hafenarbeiter?

Die Unternehmer haben enorme Überkapazitäten vor allem beim Containerumschlag aufgebaut. Diese Situation wird mindestens zehn Jahre anhalten. Dazu kommt die Automatisierung. Die Leute, die in den digitalisierten Containerterminals anfangen, haben keinen Hafenarbeiterhintergrund, das sind IT-Spezialisten. Es fließt sozusagen kein Gewerkschaftsblut in ihren Adern. Zugang zu diesen neuen Beschäftigtengruppen zu finden, die ganz anders ticken, wird unsere wichtigste Herausforderung in den nächsten Jahre sein. Weiterlesen

Sozialdemokratischer Realitätsverlust

„Solidarität ist unsere Antwort“, erklärte SPD-Chef Sigmar Gabriel Anfang Juni beim jüngsten Parteikonvent der Sozialdemokraten. Doch aller Solidaritäts- und Linksrhetorik zum Trotz dümpelt die SPD bei allen Umfragen weiter bei um die 20 Prozent vor sich hin. Sozialdemokraten glauben offenbar immer noch, sie hätten vor allem „ein Vermittlungsproblem“. Doch tatsächlich leidet die SPD weniger unter schlechtem Marketing als vielmehr unter Realitätsverlust. Natürlich kommt das Selbstbild, das die Sozialdemokraten von sich haben, nicht bei den Wählern an.  Was bei ihnen aber sehr wohl ankommt, sind die realen Folgen sozialdemokratischer Politik – und zwar nicht nur jene der „Agenda 2010“ und der „Hartz-Reformen“, die der Schröder-/Fischer-Regierung von vor über zehn Jahren zu verdanken sind, sondern auch die aktuellen Reparaturversuche im Kabinett Merkel.

Hintergrund Nachrichtenmagazin, 03/2016