Wird Kaiser’s Tengelmann zerschlagen? Oder finden Kaufinteressent Edeka und Hauptkonkurrent Rewe doch noch eine einvernehmliche Lösung für eine „faire Aufteilung der Märkte“ (Rewe-Chef Alain Caparros)? In unserem Artikel „Das wird teuer“ im aktuellen Freitag erinnern wir daran, dass es „bei dieser im Jahr 2014 begonnenen Übernahmeschlacht eben nicht nur um Marktanteile“ geht, „sondern vor allem auch um
das Schicksal tausender Beschäftigter“.
Archiv für den Monat: September 2016
Die Lieferketten organisieren
International vernetzt: Junge Gewerkschafter aus vier Kontinenten diskutierten in Berlin Antworten auf Strategien der globalen Handelskonzerne
Von Jörn Boewe, junge Welt, 20. Sept. 2016
T-Shirts, die in Berlin oder New York über den Ladentisch gehen, werden in Vietnam, der Türkei oder Kolumbien genäht. Die Arbeitsbedingungen dort sind oft katastrophal. Spätestens seit dem Einsturz des Rana-Plaza-Fabrikhochhauses im April 2013 in Bangladesch, bei dem mehr als tausend Beschäftigte getötet wurden, ist das Thema in der Öffentlichkeit. Doch nicht nur Modekonzerne sind international aufgestellt – alle großen Handelsunternehmen agieren längst über alle geographischen Grenzen hinweg.
Zusammenarbeit und Austausch der Beschäftigten tun also Not, und das geht nicht ohne Organisation. UNI Global Union ist der weltweit wichtigste Dachverband der Dienstleistungswerkschaften, und ihre Handelssektion UNI Commerce veranstaltete in der vergangenen Woche ein internationales Jugendcamp in der ver.di-Jugendbildungsstätte Berlin-Konradshöhe. Wer dabei an Ferienlager denkt, liegt falsch: Eher war es ein intensives Seminar für Nachwuchsführungskräfte der Arbeiterbewegung des 21. Jahrhunderts. Eine Woche lang diskutierten die rund 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Asien, Amerika und Europa über die wichtigen Trends ihrer Branche wie Onlinehandel, Konzentrationsprozesse und Rationalisierung der Logistikketten. »Es geht um die längsten Öffnungszeiten, die niedrigsten Preise und die größten Verkaufsflächen«, brachte Uli Dalibor von ver.di die Sache auf den Punkt. »Und all das kostet Geld – Geld, das die Konzerne intern aufbringen wollen, indem sie die Löhne ihrer Beschäftigten herabdrücken.« Weiterlesen
Kreative Modeketten
Modekonzerne sind erfinderisch – auch wenn es darum geht, Auslandsgesellschaften zu gründen – ohne Mitbestimmung. Dagegen setzt ver.di auf die Aktivierung der Beschäftigten, auf Betriebsräte und Tarifverträge.
Von Jörn Boewe und Johannes Schulten, Magazin Mitbestimmung, 04/2016
Im Jahr 2007 sollte es soweit sein: Ein paritätisch besetzter Aufsichtsrat für Deutschlands zweitgrößten Textilhändler. 319 Filialen mit 10 746 Beschäftigten hatte H&M zu diesem Zeitpunkt. Weit mehr als die 2000 Mitarbeiter, ab denen das Unternehmen laut deutschem Mitbestimmungsgesetz zur Einrichtung eines paritätisch besetzten Aufsichtsrats verpflichtet ist. Seit der Jahrtausendwende war es den Beschäftigten gelungen, zahlreiche Betriebsratsgremien zu wählen. „Ein paritätischer Aufsichtsrat wäre eigentlich konsequent gewesen“, erinnert sich der langjährige H&M-Betriebsrat Damiano Quinto, der seit 2015 das Unternehmen als Sekretär für ver.di betreut.
Doch kaum wurde das Unternehmen aufgefordert, zog es die Vermeidungskarte. Im Oktober 2007 änderte der schwedische Konzern die Rechtsform seines deutschen Ablegers. Aus der Hennes & Mauritz GmbH wurde die Hennes & Mauritz B.V. & Co. KG. Sechs Buchstaben mit großer Wirkung: Bei der B.V. & Co. KG handelt es sich um eine niederländische Rechtsform. Das Unternehmen hat seinen Sitz nach wie vor in Hamburg – und kann sich dabei auf die durch die EU garantierte Niederlassungsfreiheit berufen. Statt des deutschen Mitbestimmungsgesetzes kommt nun niederländisches Gesellschaftsrecht zur Anwendung. Die Folge: Die Beschäftigten können keine Vertreter in den Aufsichtsrat senden. Ob das Unternehmen den Schwerpunkt seiner Geschäftstätigkeit in Deutschland hat oder nicht, spielt nach laufender Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) keine Rolle. Weiterlesen