Wie mit Fallpauschalen im Krankenhaus Gewinne generiert werden

Schwerstpflegepatienten und Fälle, die vor wenigen Jahren noch in Intensivstationen betreut worden wären, kommen jetzt deutlich früher in die Normalpflege. Das ist ein neuer Trend, eine Entwicklung, um Geld einzusparen bzw. Gewinne zu generieren. Die Klinikbetreiber organisieren kleine De-facto-Intensivpflegeeinheiten auf den Normalpflegestationen. Da gibt es mittlerweile Beatmungsstationen, Telemetrie-Stationen und Stroke-Units. Der Grund ist einfach: Die Intensivstationen sind, vor allem aufgrund ihres besseren Personalschlüssels, teuer. Auf den Normalstationen sind die Betten billiger. Es gibt aber das gleiche Geld für einen Fall.

Get organized!

Organizing war für uns das großeThema des vergangenen Jahres, aber wenn wir uns im eigenen Büro umschauen, wird schnell klar, dass wir uns selbst durchaus auch noch ein bisschen besser organisieren könnten.

Ein paar hilfreiche Tipps und Tricks dazu haben wir uns am Dienstag bei einem dju-Seminar über »Selbstvermarktung für freie Journalisten« mit Andreas Ulrich und Bernd Hubatschek abgeholt. Ulrich ist vielen Leuten in Berlin-Brandenburg vor allem als engagierter Radiojournalist bekannt. Hubatschek kennt wohl jeder, der sich in der Region als Journalist, Publizist oder Künstler selbständig gemacht hat oder machen will. Falls nicht, ist er gut beraten, ihn kennenzulernen.

Bringt so ein Grundlagenseminar Leuten, die wie wir schon ein paar Jahre im Geschäft sind, überhaupt noch etwas? Das haben wir uns vorher durchaus gefragt. Aber weil’s für Gewerkschaftsmitglieder nur lächerliche 13 Euro kostet (Essenmarke für die ver.di-Kantine inklusive), kann man eigentlich nichts falsch machen.

Vor allem macht man bei Ulrich und Hubatschek nichts falsch. Zwei alte Hasen, die sich nicht nur mit Medien- und Sozialrecht, Honorar- und Urheberrechtsfragen und sonstigen Grundlagen auskennen, sondern beide selbst einen reichen Fundus praktischer Erfahrungen haben und immer am Ball bleiben.
 

Fazit: Es hat sich gelohnt, und wir haben eine Menge nützlicher Anregungen bekommen – z. B. welche Online-Tools zur Marktbeobachtung wir bislang nicht auf dem Schirm hatten, mit welchem Equipment freie Radiojournalisten heutzutage unterwegs sind, womit man sich ans Freienberatungsnetz mediafon.net und wann an den Sozialfonds der VG Wort wendet oder warum Mailinglisten im Zeitalter von Facebook und Twitter immer noch sinnvoll sind. Alles nicht völlig neu für uns, alles keine Raketentechnologie – aber, wie Hubatschek sagt: »Durchstarten kann man damit auch.«
Wir möchten hier das Team Ulrich/Hubatschek nachdrücklich und uneingeschränkt weiterempfehlen. Ein bisschen schade, dass die Seminare nicht offensiver beworben werden und in der Szene immer noch der Irrglaube grassiert, ver.di hätte zum Thema Freie nichts zu sagen. Vielleicht können wir den einen oder die andere überzeugen, sich für das nächste Selbstvermarktungs- oder Existenzgründerseminar bei der dju in Berlin anzumelden. Ihr würdet uns, vor allem aber Euch, damit eine große Freude machen.

Die Herrschaft der Finanzoligarchie ist nicht sehr beliebt,

aber stabil. Jedenfalls in der Schweiz, und im Grunde ist diese Diagnose nicht allzu überraschend. Ausgestellt haben sie die wahlberechtigten Eidgenossinnen und -genossen Ende November bei der Abstimmung über die »1:12«-Initiative der Schweizer Jusos. Getragen wurde die Kampagne hauptsächlich von der Gewerkschaft Unia, einer, wie wir finden, hochinteressanten Organisation.

Mehr dazu im Sammelband
ORGANIZING. Die Veränderung der gewerkschaftlichen Praxis durch das Prinzip Beteiligung, VSA Hamburg 2013, Hrsg.: Detlef Wetzel

(Leseprobe:)
Seit einigen Jahren setzt die Unia unter dem Motto »Von einer Gewerkschaft der Hochkonjunktur zur Gewerkschaft für raue Zeiten« verstärkt auch auf Organizing-Methoden. In der traditionell vom Hang zu Harmonie und Ausgleich geprägten politischen Kultur der Schweiz hat sich die Unia ein Renommee als die gesellschaftliche Kraft erworben, die am entschiedensten gegen die seit über zwei Jahrzehnten andauernde neoliberale Offensive angeht und dabei vor Konflikten nicht zurückscheut. Damit zieht sie regelmäßig Wutausbrüche der politischen Rechten auf sich. Als Unia-Gewerkschafter im Sommer 2007 im Rahmen einer Kampagne gegen die ausufernde Leiharbeit (schweizerdeutsch: Temporärarbeit) Zugänge privater Personalvermittlungen blockierten, schrieb die rechtspopulistische Weltwoche von »Rollkommandos der Syndikalisten«, die »fast das gesamte Repertoire« nutzten, »das mafiose Vereinigungen zur Realisierung ihrer Egoismen entwickelt haben: überfallartige Kommandoaktionen, Einschüchterung, Drohung, Nötigung, Erpressung, Hetze, Kassieren von Schutzgeldern, öffentliche Fertigmachung« (Weltwoche36/2007).

Es wäre aber falsch, die Unia wegen ihrer kämpferischen Attitüde für eine Sponti-Truppe von Politaktivisten zu halten. Die Ressourcen, die die Gewerkschaft für Tarifbewegung, Basisarbeit und Kampagnen verwendet, hat sie sich durch eine professionelle Umstrukturierung ihrer individuellenMitgliederbetreuung freigeschaufelt. Ein Drittel der Finanzen darf für Serviceleistungen, Rechtsberatung und Verwaltung verwendet werden, zwei Drittel für die politische Arbeit – so lautet die Zielvorgabe. Erreicht wird dies durch die neuesten Zaubertricks moderner Prozessoptimierung, Callcenter-Software, Analysetools und organisationspolitische Weichenstellungen.

»Wir haben uns entschieden, die Leistungen für Nichtmitglieder drastisch einzuschränken«, sagt René Lappert, der in der Region Zürich-Schaffhausen den Bereich Individuelle Mitgliederbetreuung leitet. »Denen sagen wir nicht mal, wie spät es ist«, sagt er und lacht. Nun, das ist etwas übertrieben. Wer als Nichtmitglied bei der Unia Rat sucht, bekommt eine Erstberatung und ein »Welcome-Paket« mit den wichtigsten Informationen. »Aber die Zeiten, in denen der Gewerkschaftssekretär jeden Hilfesuchenden an die Hand nahm, um dessen Probleme zu lösen, sind definitiv vorbei.«

Aus:
Jörn Boewe
Das Kräfteverhältnis ändern. Für die Schweizer Unia ist Organizing mehr als Betriebserschließung. Es geht um den außerparlamentarischen Kampf für soziale Gerechtigkeit. (a. a. O.)

Organizing Amazon

»Bis zu 25 Kilometer am Tag zu Fuß, jeder Schritt getaktet, jeder Handgriff elektronisch überwacht. Wer nicht schnell genug ist, wird zum »FeedbackGespräch« zitiert. Wenn das nicht hilft, droht die Abmahnung. Die Löhne weit unter Tarif. Gründe, einer Gewerkschaft beizutreten, gibt es für die Beschäftigten der beiden Logistikzentren von Amazon in Bad Hersfeld eigentlich zuhauf. Dennoch war ver.di in den beiden Werken der hessischen Kleinstadt an der thüringischen Grenze praktisch nicht vertreten – gerade einmal 79 Mitglieder hatte die Gewerkschaft im Februar 2011. Noch schlimmer: Durch schlechte Erfahrungen mit vorangegangenen Projekten standen viele Beschäftigte und der Betriebsrat der Gewerkschaft eher distanziert gegenüber. (…)

Mitte September 2013, also fast anderthalb Jahre nach dem Ende des Projekts, sind nahezu 1000 der insgesamt über 3000 Beschäftigten organisiert …«

Johannes Schulten
Organizing auf hessisch. Das Organizing-Projekt von ver.di bei Amazon in Bad Hersfeld

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in:

Detlef Wetzel (Hrsg.)
ORGANIZING. Die Veränderung der gewerkschaftlichen Praxis durch das Prinzip Beteiligung, VSA Hamburg 2013

»Emanzipation bedeutet, nicht Objekt, sondern Subjekt zu sein«,

schreibt Detlef Wetzel, der Mann, der am kommenden Sonntag für den Vorsitz der größten Gewerkschaft der Welt antritt. »Man wird nicht behandelt, sondern man handelt.« Ein Credo, das wir nur unterschreiben können. Dies und mehr findet sich in dem dieser Tage beim Hamburger VSA-Verlag erscheinenden Buch »Organizing«, an dem wir mit mehreren Beiträgen beteiligt sind. Hier gibt’s eine Leseprobe, Inhalts- und Autorenverzeichnis.

ORGANIZING

Gewerkschaftliches Organizing ist das Thema eines im November beim Hamburger VSA-Verlag erscheinenden Sammelbandes, an dem wir mit mehreren Beiträgen beteiligt sind. Das vom Zweiten Vorsitzenden der IG Metall, Detlef Wetzel, herausgegebene Buch gibt einen detaillierten Überblick über die wichtigsten Orga­nizing-Projekte der IG Metall und ihrer Schwestergewerkschaften – etwa die Anstrengungen der Metaller, tarifvertragliche Standards in der Windkraftindustrie festzuschreiben, die Arbeit der IG BAU mit den meist prekär beschäftigten Gebäudereiniger(inne)n im Frankfurter Bankenviertel oder das Amazon-Projekt der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di im hessischen Bad Hersfeld.

Die Arbeit hat die letzten Monate den Großteil unserer Zeit und Aufmerksamkeit in Anspruch genommen und ist der Grund dafür, dass in diesem Blog so lange Funkstille herrschte.

Aus der Verlagsankündigung:

Seit einem halben Jahrzehnt versuchen deutsche Gewerkschaften mit »Organizing« neue Strukturen aufzubauen und Mitglieder zu gewinnen. Was mit Workshops, Seminaren und kleinen Projekten begann, hat sich inzwischen zu einem festen Bestandteil der Arbeit entwickelt. Neben großen, zentral geführten Projekten werden Organizing-Ansätze auch in der örtlichen Alltagsarbeit immer häufiger von Gewerkschaften eingesetzt.

Doch Organizing ist mehr als bloße Mitgliederwerbung. Es geht um den Aufbau einer starken gewerkschaftlichen Basis in den Betrieben, um Arbeitnehmerrechte durchzusetzen. Es geht um Veränderung, Bewegung und Beteiligung.

Nach fünf Jahren ist es Zeit, eine Bilanz zu ziehen. Konnten die Ansprüche auf mehr Partizipation verwirklicht werden? Wie haben sich die neuen Methoden auf die Arbeitspraxis vor Ort ausgewirkt? Wie reagieren die Unternehmen auf die neue Offensivstrategie? Und wie kann die Unterstützung neuer Gremien und Aktiver sichergestellt werden, wenn die Organizer nicht mehr im Betrieb sind?

In dem Buch wird über Erfolge berichtet, aber auch Defizite werden nicht verschwiegen. Es ist ein Plädoyer, Organizing als umfassendes Konzept für die Gewerkschaftsarbeit zu begreifen und weiterzuentwickeln.

Der Herausgeber Detlef Wetzel ist Zweiter Vorsitzender der Industriegewerkschaft Metall. Er ist für den außerordentlichen Gewerkschaftstag der IG Metall im ­November 2013 als Nachfolger für das Amt des ­Ersten Vorsitzenden vorgeschlagen.

Detlef Wetzel (Hrsg.)
ORGANIZING. Die Veränderung der gewerkschaftlichen Praxis durch das Prinzip Beteiligung

304 Seiten | Mit einer CD zum Thema »Organizing« | erscheint im November 2013 |
EUR 19.80 | ISBN 978-3-89965-580-3

On organizing

»Wir haben 2010 angefangen, an den verschiedenen Standorten Aktivenkreise aufzubauen«, erinnert sich Jonas Berhe, Politischer Sekretär im Fachbereich Mitglieder und Kampagnen. An Tarifverhandlungen sei damals noch nicht zu denken gewesen. »Wir haben überlegt: Was sind die Probleme im Betrieb, die die Kollegen wirklich verändern wollen – und auch ändern können« In Bremerhaven war es z. B. der Wunsch nach einer Kantine, in Trampe die Forderung nach Übernahme der Azubis. »Wir haben Fragebogenaktionen in den Betrieben durchgeführt, um zu erfahren, wo der Schuh drückt«, so Berhe. »Dabei musste die Anonymität der Kollegen garantiert werden, denn sie riskierten damit vielleicht ihren Arbeitsplatz.« Und so begann der Weg zum Tarifvertrag bei Repower mit warmen Würstchen, die die IG Metall in Bremerhaven im Herbst 2011 an die Kollegen verteilte. Seit einiger Zeit gab es hier kein warmes Mittagessen mehr, und die Geschäftsführung war nicht bereit, Abhilfe zu schaffen. Das erste Ziel der Gewerkschafter war also, eine Kantine zu erkämpfen. Auch die war nicht von heute auf morgen zu bekommen, aber …
… die Leute entwickelten Selbstvertrauen, gemeinsam etwas erreichen zu können. Die IG Metall gewann neue Mitglieder. Irgendwann 2012 war die kritische Masse erreicht. Für Berhe markiert eine Betriebsversammlung in Osterrönfeld diesen Wendepunkt: »Die Vertrauensleute hatten Fragen gesammelt, die den Leuten auf den Nägeln brannten. Die Liste haben sie dann an den Arbeitgeber überreicht.« Ein beachtlicher Schritt, meint Berhe, immerhin hätten sich die Kollegen damit als Gewerkschafter geoutet. »Als die da hoch sind auf die Bühne, zur Geschäftsführung, wusste ich: Ab jetzt kommen die an uns nicht mehr vorbei.«