Im Minenfeld

Zwischen Friedensbewegung und Rüstungslobby: Die öffentliche Debatte um Kampfdrohnen und Waffenexporte hat eine alte Kontroverse in der IG Metall wieder aufleben lassen.

Von Jörn Boewe und Johannes Schulten, Magazin Mitbestimmung, 10/2014

Die Friedensbotschaft zuerst: Die IG Metall diskutiert wieder über Rüstungskonversion. Und jetzt der Frontbericht: Eine sonderlich friedliche Debatte ist es nicht, die der Zweite Bevollmächtigte aus Ingolstadt, Bernhard Stiedl, Anfang Juli losgetreten hat.

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EuroHawk-Drohne im Landeanflug. Foto: P. Hayer, commons.wikimedia.org

„Ein europäisches Drohnenprogramm würde am bayerischen Standort Manching 1500 Arbeitsplätze sichern“, sagte Stiedl, der für die IG Metall den Rüstungskonzern EADS betreut, der „Welt am Sonntag“. Und Jürgen Kerner, Mitglied des geschäftsführenden Vorstands der IG Metall und dort zuständig für die Branche, fügte im „Spiegel“ hinzu: „Wenn wir uns über deren Anschaffung einig sind, dann sollten die Drohnen in Deutschland entwickelt werden.“ Weiterlesen

Unbezahltes Dauerpraktikum rechtens?

Ein Fall, über den wir vor Wochen berichteten, hat eine hässliche Wendung genommen. Anfang Sommer schrieben wir im Hintergrund Nachrichtenmagazin über die Geschichte der Yuliya L., die als 19jährige achteinhalb Wochen in einem Bochumer Rewe-Markt unentgeltlich als „Praktikantin“ gearbeitet hatte. Das Unternehmen hatte ihr einen Ausbildungsplatz versprochen, wenn sie zuvor ein einmonatiges „Schnupperpraktikum“ absolviere – das dann immer wieder verlängert wurde („Das Geschäft mit den Scheinpraktika“). Irgendwann klagte Yuliya L. auf Zahlung des vorenthaltenen Lohns. Das örtliche Arbeitsgericht gab ihr Recht. Jetzt wurde das Urteil in der zweiten Instanz vom Landesarbeitsgericht Hamm aufgehoben. Da das Praktikum im Rahmen einer berufsvorbereitenden Maßnahme der Arbeitsagentur stattgefunden habe, so die Argumentation der Richter, sei daraus kein Arbeitsverhältnis entstanden.

Quellen:
www.juris.de
www.lto.de

Langer Kampf ums Ganze

Seit März 2013 bestreikt ver.di den US-Onlinehandelskonzern Amazon. Der Konflikt wird für die mittelfristige Entwicklung im Einzelhandel richtungsweisend sein – und damit für die Dienstleistungsgewerkschaft

Von Jörn Boewe und Johannes Schulten, Hintergrund Nachrichtenmagazin, Heft 4/2014

In der Vorweihnachtszeit, am 15. Dezember 2013 erhielt der US-Konzern Amazon 53 Bestellungen aus Deutschland – nicht in der Stunde, nicht in der Minute sondern pro Sekunde. Es besteht wenig Zweifel, Amazon hat den deutschen Einzelhandel geprägt, wie bisher kein Unternehmen zuvor. Keinem Unternehmen ist es binnen so kurzer Zeit gelungen, so schnell in eine marktbeherrschende Stellung zu kommen wie Amazon.

Seit März 2013 streikt ver.di bei Amazon für einen am Einzelhandel orientierten Tarifvertrag. Zuerst in Bad Hersfeld, inzwischen inzwischen in Leipzig, Graben (Bayern) und Rheinberg (Nordrhein-Westfalen). Doch von medialen Aufregung der ersten Monate ist wenig übriggeblieben. Schafften es die Meldungen über »erneute Streiks bei Amazon« im vergangenen Jahr noch in jede Morgennachrichtensendung – die Bild schickte Reporter zu Streikversammlungen –  findet der Arbeitskampf inzwischen fast unbemerkt von der Öffentlichkeit statt. Das ist problematisch, denn für ver.di geht es nicht nur um Amazon. Es geht um die ganze Branche.

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„Tarifeinheit“ per Gesetz?

Es wird wieder gestreikt in Deutschland. Die Lokführergewerkschaft GDL hat weitere Arbeitsniederlegungen angekündigt, und auch die Piloten sind in Kampflaune und bleiben immer mal wieder auf dem Boden. Das missfällt nicht nur Deutscher Bahn und Lufthansa, sondern auch der gewerkschaftlichen Konkurrenz von EVG und Verdi. Im Hintergrund feilt das Bundesarbeitsministerium an einem Gesetzentwurf, der die Rechte kleiner Gewerkschaften beschneiden soll.

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„Da fehlt der strategische Kompass“

Wolfgang Lemb, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, über Investitionen und privates Kapital. Das Gespräch in Frankfurt/Main führten Cornelia Girndt und Johannes Schulten, Magazin Mitbestimmung 09/2014

Wolfgang Lemb, mehr als die Hälfte der Unternehmen sehen laut einer Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft ihre Geschäftsabläufe durch Infrastrukturprobleme beeinträchtigt. Ist die hiesige Infrastruktur nach wie vor eine gute Grundlage für einen erfolgreichen Industriestandort?

Ein klares Nein. Da reden wir nicht nur über Straßeninfrastruktur, sondern auch über das Schienennetz. Wir haben bei beidem einen riesigen Nachholbedarf. Die Investitionsquote – das Verhältnis zwischen Bruttoanlageinvestitionen und Bruttoinlandsprodukt – ist mittlerweile auf 17 Prozent gesunken. Ende der 90er Jahre haben Staat und Unternehmen noch 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die wirtschaftliche Zukunft des Landes investiert, und auch das war im internationalen Vergleich schon wenig. Viele Institute sagen zu Recht: Deutschlands Infrastruktur zehrt von ihrer Substanz. Weiterlesen

Gefährlicher Unfug

Noch im Herbst will die Bundesarbeitsministerin einen Gesetzentwurf zur Regelung der Tarifeinheit vorlegen. DGB und BDA hatten die Novelle vor vier Jahren gemeinsam angestoßen. Warum das Vorhaben zum Scheitern verurteilt, aber trotzdem gefährlich ist, darüber schreiben Jörn Boewe und Johannes Schulten im aktuellen Freitag. Jetzt am Kiosk.

Coole Mischung aus Erschöpfung, Gelassenheit, Nachdenklichkeit

Zurück von der gelungenen Streikkonferenz der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Hannover. Ich hatte interessante Diskussionen mit vielen Leuten, darunter Romin Khan, Frank Deppe, Heiner Dribbusch, Peter Birke, Elmar Wigand und Jessica Reissner von Arbeitsunrecht Deutschland, Otto König, Dana Lützkendorf, Peter Berg, Thies Gleiss, Daniel Behruzi, Stephan Krull, Lars Dieckmann und vielen anderen.

Besonders gefallen hat mir, dass hier Leute aus ganz verschiedenen Altersgruppen, Branchen, aus Betrieben, Wissenschaft, Gewerkschaften zusammenkamen, dass die Rechthaberei im Vergleich zu früheren Jahren und Jahrzehnten nachgelassen hat und die aufgekratzte Stimmung, die in den letzten zwei Jahrzehnten meist entweder katastrophistisch oder euphorisch war, einer abgeklärten Mischung aus Erschöpfung, Gelassenheit und Nachdenklichkeit gewichen ist, die aber, so mein Eindruck, nichts mit Resignation zu tun hat.

Wir sind also, womöglich,  auf dem Weg der konstruktiven Desillusionierung. Oder aber, optimistischer betrachtet, der desillusionierten Rekonstruktion.