„Die große Zeit liegt noch vor uns“

Eicke R. Weber, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg, über die richtige Industriepolitik für eine Zukunftstechnologie. Das Gespräch führten Jörn Boewe und Johannes Schulten.

Magazin Mitbestimmung, 11/2013

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz fördert indirekt den Verkauf von Solaranlagen, egal wo sie produziert wurden. Haben also die deutschen Stromkunden über ihre EEG-Umlage die chinesischen Billiganbieter subventioniert und dazu beigetragen, dass bei uns Industriearbeitsplätze vernichtet wurden?

Das sehe ich anders. Erst durch das EEG wurde in Deutschland ein Markt für Photovoltaik (PV) geschaffen mit der Folge, dass heute unsere PV-Technologien weltweit führend sind. Für den Aufbau einer Photovoltaik-Industrie erhielten die ostdeutschen Bundesländer Geld aus der EU-Regionalförderung, während man in China die Regionen in einen Wettbewerb brachte, was dort zu einer gigantischen Überkapazität führte. Was wir dabei nicht vergessen dürfen: Der größte Teil der in Asien errichteten Produktionsanlagen wurde in Deutschland geordert. Es waren Firmen wie Centrotherm, Roth und Rau, RENA oder M&B, die Aufträge in einer Größenordnung von 50 Milliarden Euro für China erledigt haben. Für die deutschen Anlagenbauer war das ein Riesengeschäft. Und die produzierten Module wurden dann vor allem nach Deutschland exportiert.

Von einem chinesischen Dumping, von dem in Deutschland oft die Rede ist, wollen Sie also nicht sprechen?

Ich meine nein. Das Dumping bestand höchstens darin, dass die Chinesen Industriepolitik betrieben haben, indem sie preisgünstige Kredite für den Fabrikbau zur Verfügung stellten, was allerdings hier in kleinerem Maßstab auch in Ostdeutschland gemacht wurde.

Seither sind viele deutsche Modulbauer in die Insolvenz gegangen, kaum jemand arbeitet kostendeckend. Ist unsere heimische Solarindustrie noch zu retten?

Das Problem ist, dass ein Großteil der deutschen Hersteller nicht in der Lage ist, zu den jetzigen, niedrigen Modulpreisen zu produzieren. Das ist auf Dauer kein Geschäftsmodell. Jetzt ist die große Frage: Bleiben wir am Ball und entwickeln für den Weltmarkt eine neue Generation von Solarproduktionsanlagen – hochautomatisiert, neueste Technologie, hocheffizient, im Gigawattmaßstab? Wenn wir unsere Karten richtig spielen, haben wir eine reelle Chance, für diese zweite Generation von Photovoltaik-Produktionstechnologie die Anlagen zu liefern. Wir dürfen nicht den Fehler machen, den wir in der Mikroelektronik begangen haben: Wesentliche Erfindungen kamen aus Europa. Am Schluss ging die Produktion jedoch in Richtung USA und dann später nach Japan, Korea und Taiwan. Um das zu verhindern, brauchen wir eine systematische Industriepolitik.

Eine systematische Industriepolitik für das Geschäftsfeld der erneuerbaren Energien ist aber derzeit nicht zu erkennen.

Wir sind ganz am Anfang, etwa wie die Autoindustrie im Jahre 1910. Die große Zeit liegt noch vor uns. Die Photovoltaik beginnt, sich weltweit als preiswerteste Art der Stromerzeugung durchzusetzen, der Strombedarf wird enorm steigen, und wir haben beim Solarstrom – das zeigen unsere Berechnungen – ein riesiges Wachstumspotenzial. Der Solarmarkt ist also ein embryonaler Markt im Gegensatz zu dem, was wir in einigen Jahren haben werden. Wir haben zwar mit dem EEG Anschubkosten übernommen und unsere Stromrechnung erhöht. Aber jetzt, wo es spannend wird, will jetzt die Politik etwa aussteigen?

Was sollte sie tun?

Wir brauchen europäische Instrumente, um den Unternehmen zinsgünstige Kredite zu garantieren. Die Solarindustrie braucht Geld, um durch das Tal der Tränen zu kommen. Aber das Kapital ist seit der Lehman-Pleite risikoscheu geworden Hier muss die Politik eingreifen. Das kann über Kreditversicherungen geschehen. Die Frage ist doch: Welchen Branchen billigen wir das zu und welchen nicht? Der neue Airbus wäre ohne eine milliardenschwere Kreditausfallversicherung auch nicht gebaut worden.

Glauben Sie, dass die höheren Arbeits- und Sozialstandards in der Europäischen Union ein Standortnachteil sind?

Nein, überhaupt nicht. In der heutigen Photovoltaik-Produktion machen Lohnkosten nur noch fünf Prozent der Gesamtkosten aus. Selbst wenn die Beschäftigten in China zum Nulltarif arbeiten würden, ergäbe sich nur ein geringer Vorteil, der direkt wieder durch die Transportkosten kompensiert würde. Der große Standortvorteil in Asien ist die Verfügbarkeit von Investmentkapital. Und diesen haben die PV-Werke in Malaysia, in Indonesien oder in China, also überall dort, wo die Regierung sagt: Wir wollen diese Arbeitsplätze, wir wollen diese Industrie aus strategischen Gründen.

Viele Sorgen macht die Kostenexplosion beim Strom, sie wird dem EEG und dem angeblich unkontrollierten Ausbau der erneuerbaren Energien zugeschrieben. Sind Wind- und Solarenergie unsozial?

Der große Irrtum, der in die Welt gesetzt wurde, ist, dass der Strompreis bei weiterem Zubau von Photovoltaik- und Windkraftanlagen weiter steigen wird. Das ist absolut falsch. Von der EEG-Umlage, die im nächsten Jahr bei 6,24 Cent liegen wird, sind nur 0,18 Cent für den Zubau von weiteren PV- und Windanlagen gedacht. Der Rest ist darauf zurückzuführen, dass immer mehr Unternehmen von der Umlage befreit wurden und dass der Strompreis an der Strombörse EEX in Leipzig so stark gesunken ist.

Dadurch ist auch das EEG-Umlagekonto ins Minus gerutscht. Anfang des Jahres war es um zweieinhalb Milliarden Euro überzogen. Das muss durch den Stromverbraucher ausgeglichen werden.

Wir sollten nach vorne schauen, statt zu lamentieren. Die Einspeisevergütung ist jetzt gesenkt worden, für Solarenergie liegt sie bei zehn Cent pro Kilowattstunde für große Anlagen. Bei einem Haushaltsstrompreis von 25 Cent pro Kilowattstunde wird damit der Eigenverbrauch sehr viel interessanter. Die Energiewende wird uns nicht mehr viel zusätzliches Geld kosten. Sie wird dazu führen, dass wir die Energieversorgung Deutschlands in den nächsten zehn bis 20 Jahren auf regenerative Energien umstellen können, anstatt die Rohstoffe teuer einzukaufen.

Die Industrie ächzt über die Strompreise, weil in den USA oder Frankreich der Strom viel billiger ist.

Wenn wir wirklich Geld bei der EEG-Umlage einsparen wollen, sollten wir den Kreis der ausgenommenen Firmen wieder schärfer auf die energieintensiven Firmen konzentrieren, die im internationalen Wettbewerb stehen und daher große Probleme mit steigenden Energiepreisen haben. Aber auch für diese Firmen sollten wir eine Umlage von einem Cent pro Kilowattstunde erheben, das entspricht dem Betrag, um den die Industriestrompreise besonders durch die verstärkte Einspeisung von Sonnen- und Windstrom gefallen sind. Es ist nicht einzusehen, dass die energieintensive Industrie von der Energiewende erheblich profitieren soll, und alle anderen Verbraucher müssen dafür eine höhere Rechnung zahlen.

Die deutsche Energiewende setzt auf Kohle als Brückentechnologie. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

Das Unangenehme ist, dass die Stromversorger aus den Kohlekraftwerken noch unheimlich gute Gewinne ziehen können. Das sind Gelddruckmaschinen. Die Anlagen sind größtenteils abgeschrieben, und weil der Ausstoß von CO2 praktisch nichts kostet, ist die Kohleverstromung sehr preiswert. Den Entschluss des schwedischen Vattenfall-Konzerns, aus der Kohle auszusteigen, finde ich sehr erfreulich. Aber das ist die Entscheidung eines einzelnen Unternehmens. Wir sollten versuchen, eine gesamtgesellschaftliche Umstellung in Gang zu bringen. Und das funktioniert nur, wenn die Emission von klimaschädlichem CO² teurer wird.

»Emanzipation bedeutet, nicht Objekt, sondern Subjekt zu sein«,

schreibt Detlef Wetzel, der Mann, der am kommenden Sonntag für den Vorsitz der größten Gewerkschaft der Welt antritt. »Man wird nicht behandelt, sondern man handelt.« Ein Credo, das wir nur unterschreiben können. Dies und mehr findet sich in dem dieser Tage beim Hamburger VSA-Verlag erscheinenden Buch »Organizing«, an dem wir mit mehreren Beiträgen beteiligt sind. Hier gibt’s eine Leseprobe, Inhalts- und Autorenverzeichnis.

Keine Angst vorm Konflikt

Für die schweizerische Unia geht Gewerkschaftsarbeit weit über das Aushandeln von Tarifverträgen hinaus

Von Jörn Boewe, neues deutschland, 15. Nov. 2013

Die Unia, mit 200 000 Mitgliedern größte Gewerkschaft der Schweiz, verbindet erfolgreich Basisarbeit am Arbeitsplatz mit gesellschaftspolitischen Kampagnen.

Eine kantige rote Faust, flankiert von Hammer und Sichel, zerschmettert die kleine Schweiz. »Arbeitsplätze vernichten? Nein!« steht auf dem Plakat, das in einem Stil gestaltet ist, der an die Zeit des Kalten Krieges erinnert. Wer dieser Tage in der Eidgenossenschaft unterwegs ist, kann dieses oder ähnliche Plakate nicht übersehen. Am 24. November stimmen die acht Millionen Wahlberechtigten in dem kleinen Bundesstaat darüber ab, ob künftig eine Höchstgrenze für Managergehälter in der Verfassung verankert wird. »1:12« heißt die Initiative, ihre Idee: Kein Chef soll im Monat mehr verdienen als der schlechtbezahlteste seiner Angestellten in einem ganzen Jahr.


Initiiert wurde die Kampagne von der Jugendorganisation der Schweizer Sozialdemokraten. Richtig Fahrt nahm sie auf, als im Frühsommer 2013 die größte Gewerkschaft des Landes einstieg – die 200 000 Mitglieder zählende Unia. Ihre Aktivisten begannen, in Betrieben und auf der Straße für die Abstimmung zu werben, sie gaben der Kampagne ein radikales, angriffslustiges Gesicht.

Besonders gut kam etwa ihre »Abzockeruhr an«, eine Art Parkscheibe, mit der man im Handumdrehen sein Einkommen mit dem der Vorstandschefs von Schweizer Großkonzernen wie UBS, Novartis und Nestlé vergleichen kann. Wenn ein Facharbeiter für 5000 Schweizer Franken einen Monat arbeiten muss, schafft Brady Dougan, der Chef der Credit Suisse, das in nicht mal sieben Minuten. So einfach kann man soziale Ungerechtigkeit auf den Punkt bringen.

»Wir begnügen wir uns nicht damit, in jedem neuen Jahr die Löhne zu verhandeln und einen Tarifvertrag abzuschließen , sagt Roman Burger, Geschäftsleiter der Unia Zürich-Schaffhausen. »Wir sehen uns als eine Organisation, die in einem weiten Kontext für soziale Gerechtigkeit einsteht, sich in politische Diskussionen einmischt und diese mitprägt.« Das Schweizer System der direkten Demokratie begünstigt diesen Ansatz. So konnte die Gewerkschaft mehrfach Beschlüsse des Parlaments kippen, etwa die Rentenreform 2009, die zu einer rund zehnprozentigen Kürzung der Pensionszahlungen geführt hätte.

Möglich wurde dies auch, weil die 2004 als Zusammenschluss mehrerer Gewerkschaften der Branchen Bau, Industrie, Handel und Dienstleistung gegründete Unia auf systematische Basisarbeit setzt. »Von einer Gewerkschaft der Hochkonjunktur zur Gewerkschaft für raue Zeiten«, lautet ihr Motto. Dass das mehr ist als ein schöner Werbespruch, konnte die Unia jüngst bei einem Konflikt auf der Großbaustelle des Züricher Hauptbahnhofs beweisen. Ein von der Schweizer Bundesbahn SBB beauftragtes Spezialbauunternehmen hatte 30 polnische Bauarbeiter beim Bau einer Brandschutzanlage monatelang als Scheinselbständige zu Stundenlöhnen zwischen umgerechnet fünf und elf Euro beschäftigt. Nachdem die Unia Generalunternehmer und Auftraggeber im Oktober mit den Vorwürfen konfrontierte, wurden die Arbeiter über Nacht nach Polen zurückgeschickt. Daraufhin legte die Gewerkschaft die Baustelle still, holte die Arbeiter zurück und ließ sie ihre Geschichte auf einer Pressekonferenz berichten. Zwei Tage blieb die Arbeit liegen, dann erklärte sich das Unternehmen bereit, vorenthaltene Löhne in Höhe von 700 000 Franken nachzuzahlen.

»Präsenz an den Arbeitsplätzen« sei seit Jahren eine Stärke seiner Organisation, meint Burger. »Unsere Sekretäre verbringen ihre Arbeitszeit fast ausschließlich draußen bei den Beschäftigten.« Allerdings habe dies noch keine »tiefe Verwurzelung in den Strukturen der Belegschaften« bedeutet, räumt er ein. Deshalb setze die Unia jetzt darauf, in strategisch wichtigen Betrieben, Netzwerke von Vertrauensleuten aufzubauen. »Ziel ist es, dass diese dann am ›Tag X‹ ihre Leute mitnehmen können und dafür sorgen, dass der gesamte Betrieb tatsächlich in den Streik tritt«.

ORGANIZING

Gewerkschaftliches Organizing ist das Thema eines im November beim Hamburger VSA-Verlag erscheinenden Sammelbandes, an dem wir mit mehreren Beiträgen beteiligt sind. Das vom Zweiten Vorsitzenden der IG Metall, Detlef Wetzel, herausgegebene Buch gibt einen detaillierten Überblick über die wichtigsten Orga­nizing-Projekte der IG Metall und ihrer Schwestergewerkschaften – etwa die Anstrengungen der Metaller, tarifvertragliche Standards in der Windkraftindustrie festzuschreiben, die Arbeit der IG BAU mit den meist prekär beschäftigten Gebäudereiniger(inne)n im Frankfurter Bankenviertel oder das Amazon-Projekt der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di im hessischen Bad Hersfeld.

Die Arbeit hat die letzten Monate den Großteil unserer Zeit und Aufmerksamkeit in Anspruch genommen und ist der Grund dafür, dass in diesem Blog so lange Funkstille herrschte.

Aus der Verlagsankündigung:

Seit einem halben Jahrzehnt versuchen deutsche Gewerkschaften mit »Organizing« neue Strukturen aufzubauen und Mitglieder zu gewinnen. Was mit Workshops, Seminaren und kleinen Projekten begann, hat sich inzwischen zu einem festen Bestandteil der Arbeit entwickelt. Neben großen, zentral geführten Projekten werden Organizing-Ansätze auch in der örtlichen Alltagsarbeit immer häufiger von Gewerkschaften eingesetzt.

Doch Organizing ist mehr als bloße Mitgliederwerbung. Es geht um den Aufbau einer starken gewerkschaftlichen Basis in den Betrieben, um Arbeitnehmerrechte durchzusetzen. Es geht um Veränderung, Bewegung und Beteiligung.

Nach fünf Jahren ist es Zeit, eine Bilanz zu ziehen. Konnten die Ansprüche auf mehr Partizipation verwirklicht werden? Wie haben sich die neuen Methoden auf die Arbeitspraxis vor Ort ausgewirkt? Wie reagieren die Unternehmen auf die neue Offensivstrategie? Und wie kann die Unterstützung neuer Gremien und Aktiver sichergestellt werden, wenn die Organizer nicht mehr im Betrieb sind?

In dem Buch wird über Erfolge berichtet, aber auch Defizite werden nicht verschwiegen. Es ist ein Plädoyer, Organizing als umfassendes Konzept für die Gewerkschaftsarbeit zu begreifen und weiterzuentwickeln.

Der Herausgeber Detlef Wetzel ist Zweiter Vorsitzender der Industriegewerkschaft Metall. Er ist für den außerordentlichen Gewerkschaftstag der IG Metall im ­November 2013 als Nachfolger für das Amt des ­Ersten Vorsitzenden vorgeschlagen.

Detlef Wetzel (Hrsg.)
ORGANIZING. Die Veränderung der gewerkschaftlichen Praxis durch das Prinzip Beteiligung

304 Seiten | Mit einer CD zum Thema »Organizing« | erscheint im November 2013 |
EUR 19.80 | ISBN 978-3-89965-580-3

Unia organizing Zurich

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Zwei Tage Anfang September 2013 hatte ich Gelegenheit, Gewerkschafter der Unia in Zürich bei ihrer Arbeit zu begleiten und auszufragen. „Das Notizbuch voll, fehlen mir die Worte“, notierte ich, wieder zu Haus. „Zurück aus der Schweiz, nach zwei Tagen voll neuer Eindrücke, Gespräche, Ideen  (…). Keine politische Bewegung hat mich so beeindruckt, seit ich 1994 bei den Zapatisten in Mexiko war. Nicht Solidarnosc, nicht Attac, nicht die spanische CGT, nicht Occupy xy …“ Die Ergebnisse dieser Reise flossen in das Organizing-Buch, an dem Schulten und ich damals arbeiteten, sowie mehrere Zeitungsartikel ein.

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Sozial nicht nachhaltig

Entgelterhebung in der Windkraft- und Solarindustrie zeigt: Nur ein Fünftel der Beschäftigten kann von seiner Arbeit gut leben. 

Von Jörn Boewe, junge Welt, 1. Juli 2013

Martina Gerhardt (Name geändert) ist Produktionsarbeiterin in einem brandenburgischen Solarbetrieb. Mit ihrem Vollzeitjob kommt sie auf 1500 Euro brutto – netto bleiben ihr knapp 1100 Euro übrig. Davon gehen drei Viertel für die laufenden Kosten drauf. Ihre Miete liegt bei 600 Euro. »Es kommt schon mal vor, daß ich am Ende des Monats dastehe und kein Geld mehr habe«, sagt sie. »Vor allem, wenn zusätzliche Ausgaben anstehen, etwa 60 Euro für eine Hose oder einen Pullover. Die muß ich mir dann leihen.«

Praktisch die komplette Wohnungseinrichtung hat sie auf Raten gekauft. Auch ihr Auto, mit dem sie jeden Tag 30 Kilometer zur Arbeit fährt, muß noch abgezahlt werden. Getankt wird in Polen, weil dort der Sprit immer noch 40 bis 50 Cent billiger ist. »Ich habe genauso zu kämpfen wie ein Hartz-IV-Empfänger«, sagt sie. Eingekauft wird grundsätzlich nur bei Harddiscountern, selbst bei Grundnahrungsmitteln wird gespart.

Viele ihrer Kollegen haben Zweitjobs, räumen Regale in Supermärkten ein, gehen putzen oder fahren Pizza aus. Viele, die Kinder haben, »stocken auf«, beziehen ergänzendes Arbeitslosengeld II.

Martina trägt mit ihrer Arbeit zum Gelingen der Energiewende bei. Doch zu Hause kommt ihr Strom aus Atom- und Kohlekraftwerken. »Ich würde gern Ökostrom beziehen«, sagt sie, »aber das können wir uns einfach nicht leisten.«

Obwohl die Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Ressourcen längst von allen wichtigen politischen Kräften als zentrale gesellschaftliche Aufgabe angesehen wird, arbeitet ein großer Teil der dort Beschäftigten an der Niedriglohnschwelle oder darunter. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie der IG Metall, die am vergangenen Donnerstag in Frankfurt am Main auf der Konferenz »Nachhaltig erneuerbar?« vorgestellt wurde. Das mittlere Monatsbrutto der Beschäftigten in der Windkraft- und Solarindustrie liegt danach bei 2650 Euro, in der Solarindustrie nur bei 2400 Euro – inklusive aller Zulagen. Rund ein Drittel erzielt deutlich weniger. Insbesondere die Löhne der Produktionsarbeiter fallen stark ab. Deren mittleres Monatseinkommen in der Solarindustrie liegt bei 2050 Euro. Ein Viertel verdient weniger als 1810 Euro für eine Vollzeittätigkeit. Leiharbeiter erhalten im Schnitt Bruttoentgelte zwischen 1700 und 2100 Euro, das Mittel (Median) liegt bei 1900 Euro. In der Regel handelt es sich dabei um Vollzeittätigkeiten.

Diese Einkommen erreichen die meisten Beschäftigten nur, indem sie regelmäßig Überstunden, Schicht- und Wochenendarbeit leisten. Insgesamt ist nur ein Fünftel in beiden Branchen der Ansicht, von ihrem Einkommen gut leben zu können. In der Solarindustrie meint fast die Hälfte (44,7 Prozent), damit nur »schlecht« oder »mit vielen Abstrichen« auskommen zu können.

Extreme Spaltung

Nun hört sich ein Mittelwert von 2650 Euro nicht so schlecht an. Doch die Studie weist auf eine ausgeprägte soziale Spaltung innerhalb der Unternehmen hin. Zwischen den Einkommen in den Bereichen Verwaltung, Vertrieb/Außendienst und Forschung/Entwicklung einerseits und den Löhnen der Produktionsarbeiter klafft eine große Lücke. Selbst die untersten Gehälter der befragten Büroangestellten liegen noch über den Spitzenlöhnen der gewerblich Beschäftigten. Während rund 60 Prozent der Produktionsarbeiter von ihrem Einkommen nur schlecht« oder »mit vielen Abstrichen« leben können, empfindet die große Mehrheit der Beschäftigten in Vertrieb, Verwaltung und Forschung/Entwicklung ihre Einkommenssituation als »gut« bzw. muß »leichte Abstriche« machen.

Insgesamt ist die Situation der Beschäftigten in der Windkraftindustrie besser als in der Solarbranche. Dies dürfte auch daran liegen, daß es bei den Windkraftanlagenherstellern mehr und stärkere gewerkschaftliche Strukturen und eine insgesamt höhere Tarifbindung gibt, vor allem im Bereich der Zulieferer aus dem Maschinenbau. Dennoch liegen auch in der Windkraftbranche die Einkommen immer noch um die 20 bis 30 Prozent unter dem Niveau des Flächentarifvertrages der Metall- und Elektroindustrie – vor allem weil dort länger gearbeitet wird. Sachlich gerechtfertigt ist dies nicht. Die Tätigkeiten beim Bau von Windkraftanlagen unterscheiden sich nicht wesentlich vom klassischen Maschinen- und Anlagenbau. In der Solarindustrie sind die Differenzen in aller Regel noch höher.

Auf der Konferenz, an der gut hundert Vertreter aus beiden Branchen teilnahmen, wurde mehrmals die Forderung erhoben, öffentliche Kredite und Hilfen für Unternehmen etwa an die Zahlung existenzsichernder Löhne oder die Begrenzung von Leiharbeit zu binden. Daß dies ohne klare politische Vorgaben nicht geschehen wird, machte KfW-Direktorin Katrin Leonhardt in der Debatte deutlich: Die staatliche Förderbank würde sich bei ihren Investitionsentscheidungen »natürlich nicht anschauen, ob die Sozial­standards eingehalten werden. Das setzen wir voraus.«

Eigeninitiative gefordert

So wurde schnell klar: Eine Verbesserung der Situation erfordert vor allem die Initiative der Beschäftigten selbst. »Die Erfahrung der letzten zweihundert Jahre zeigt, daß ohne starke Gewerkschaften kein gutes Leben möglich ist«, unterstrich Sören Niemann-Findeisen vom IG-Metall-Vorstand, der das Impulsreferat anstelle des verhinderten Zweiten Vorsitzenden Detlef Wetzel hielt. Die Diskussion zeigte aber auch, daß ein Moment, in dem »die Energiewende ins Stocken geraten« ist und »rund 200000 Arbeitsplätze akut bedroht« sind, keine günstige Ausgangslage für eine tarifpolitische Offensive ist.

Einfach mal zuhören

IG Metall will neue Branchen erschließen. Ihre Devise: Die Beschäftigten wissen oft besser, was sie wollen, als die Gewerkschaft. Unterwegs mit einem »Organizing-Blitz«

Von Johannes Schulten, Magdeburg, junge Welt, 4. Juni 2013

Die Erneuerung beginnt bei der IG Metall mit einem Gespräch. Eigentlich sind es mehrere Gespräche, die Florian Mahler an jenem Dienstag morgen in Magdeburg führt. Ein Lieferwagen rollt auf den Parkplatz vor einem alten Fabrikgebäude aus rotem und gelbem Backstein. Der Gewerkschaftssekretär klopft an die Wagentür. »Ich bin von der IG Metall«, sagt er. »Wir sind zuständig für Unternehmen in der Windenergiebranche. Wir haben von anstehenden Umstrukturierungen bei Vestas erfahren, uns interessiert Ihre Meinung dazu.«

Die beiden Monteure im Auto hören zu, überlegen kurz. Dann erzählen sie: von niedrigen Löhnen, von neuen Führungskräften, die alles anders machen wollen und dann nach einem Jahr wieder von der Konzernzentrale in Dänemark abgezogen werden und von ihrer Arbeit, die ihnen Spaß macht. Mahler hört vor allem zu, manchmal fragt er nach. Mit Erklärungen und Interpretationen hält er sich zurück.

Es ist Punkt sieben Uhr, und vor der Werkhalle fahren immer mehr Wagen vor. Mahler und seine Kollegin Karin Wagner klopfen überall, erkundigen sich nach Problemen, Einschätzungen, der Stimmung. Am Ende jedes Gesprächs kommt das Angebot: »Wären Sie bereit, sich gemeinsam mit der IG Metall für die Verbesserungen der Situation einzusetzen?« Die Kollegen haben schon mal darüber nachgedacht und wollen zumindest in Kontakt bleiben.

Viel können die beiden Gewerkschafter den Monteuren nicht versprechen. Um bei Vestas einen Tarifvertrag durchzusetzen, fehlen der IG Metall noch die Mitglieder. »Wir versuchen, den Leuten klarzumachen, daß sie sich selber einbringen müssen, um etwas zu erreichen«, sagt Mahler. »Dafür müssen wir ihnen jedoch die Strukturen geben, sie vernetzen.«

Die Monteure in Magdeburg arbeiten für die deutsche Servicetochter des dänischen Windkraftanlagenherstellers Vestas. Wenn auf irgendeinem Feld in Deutschland eine Vestas-Turbine kaputtgeht, sind sie es, die raus müssen, um sie zu reparieren. Und genau da liegt das Problem für die Gewerkschaft. Die Servicestandorte sind verstreut, oft arbeiten an ihnen nur wenige Monteure. »Wenn wir die erreichen wollen, müssen wir zu ihnen fahren«, weiß Mahler.

Mahler und Wagner sind bei der IG Metall für Mitgliedergewinnung zuständig. Ihre Aufgabe: Bisher nicht erschlossene Unternehmen zu organisieren – also Mitglieder zu werben, in Betrieben, in denen die Gewerkschaft noch nicht vertreten ist. Davon gibt es viele, im Organisationsbereich der starken IG Metall. Die weißen Flecken sind sogar gewachsen: Ganze Branchen sind in wenigen Jahren neu entstanden – wie etwa die Windkraft- und Solarindustrie. Produktion und Wartung von Photovoltaik- oder Windenergieanlagen haben sich in den letzten Jahren zu einem riesigen Wirtschaftszweig entwickelt, an dem Tausende Arbeitsplätze hängen. Doch das schnelle Wachstum hatte seinen Preis: Die Arbeitsbedingungen sind deutlich schlechter als im klassischen Maschinen- und Anlagenbau, die Löhne niedriger, der Leiharbeiteranteil ist hoch. Tarifverträge sind trotz einiger Fortschritte in jüngster Zeit immer noch die Ausnahme. Bis vor wenigen Jahren war nicht einmal klar, ob die Windkraftanlagenbauer zum Organisationsbereich der IG Metall oder der IG Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE) gehören.

Der Besuch in Magdeburg ist Teil einer Kampagne, um die Monteure in der Branche zu organisieren. »Organizing-Blitz« heißt sie im IG-Metall-Jargon. Etwa 20 haupt- und ehrenamtliche Organizer fahren in dieser letzten Maiwoche durch den Norden der Republik und besuchen Servicestützpunkte der Windkraftbranche.

Viel Aufwand, um ein paar neue Mitglieder zu rekrutieren? »Im Gegenteil«, sagt Jonas Berhe, der beim Vorstand der Metallgewerkschaft in Frankfurt Organizing-Projekte koordiniert. »So schaffen wir die Grundlage, um später handlungsfähig zu sein. Die Alternative wäre, die Leute als Mitglieder komplett aufzugeben.«

Der Organizingansatz stammt aus den USA, wo Gewerkschaften in den 90er Jahren nach neuen Wegen suchten, ihre Mitgliederverluste zu stoppen. Im Grunde ist er ein Versuch, Methoden aus der Frühzeit der Arbeiterbewegung wiederzubeleben, aus der Zeit der großen Industrialisierungswellen im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Diese Herangehensweise unterscheidet sich stark von dem, wie hierzulande jahrelang in Gewerkschaften gearbeitet wurde. »Im Kern geht es um Mitgliederbeteiligung«, betont Berhe. »Nicht wir entscheiden, was die Gewerkschaft fordert, sondern die Mitglieder.«

Das ist die eine Seite. Auf der anderen wird durchaus zentral geplant, und das sehr professionell. Jede Kampagne beginnt mit einer Recherche: Wie ist das Unternehmen aufgestellt? Wer sind die Lieferanten, wer die Kunden? Was sind die Probleme der Beschäftigten? »Früher kamen solche Informationen von den Betriebsräten«, sagt Berhe. Doch in Zeiten von Werkverträgen, Leiharbeit und Outsourcing fehlt den Beschäftigtenvertretern oft die Übersicht in ihren Unternehmen. Und in zahlreichen Firmen gibt es nicht einmal Betriebsräte.

Seit den 1980er Jahren haben auch in Deutschland die Gewerkschaften mit Mitgliederverlusten zu kämpfen. Und auch hier wird Organizing seit geraumer Zeit als Zukunftsmodell diskutiert. Ver.di setzt beim Internethändler Amazon genauso auf die neuen Methoden, wie die IG BAU, um die Situation der Gebäudereiniger zu verbessern.

Die IG Metall hat vor gut drei Jahren ein Organizingprojekt in der Windenergiebranche gestartet: Die Bilanz kann sich sehen lassen. »Wir haben rund 2000 neue Mitglieder gewonnen«, sagt Berhe. Und noch wichtiger: »In vielen Unternehmen haben sich Vertrauensleutestrukturen gebildet, die eigenständig arbeiten«. Bei der Nummer Drei der deutschen Windkraftanlagenbauer, dem Repower-Konzern, konnte die IG Metall im März sogar einen Tarifvertrag abschließen. Der steht bei Vestas noch aus.

Der lange Weg zum Tarifvertrag

Beim Windturbinenbauer REpower hat die IG Metall den Anschluss an den Flächentarifvertrag durchgesetzt. Von Jörn Boewe und Johannes Schulten, Journalisten, deren Recherchen in der Windkraft- und Solarindustrie von der Otto-Brenner-Stiftung mit einem Stipendium gefördert werden.

Magazin Mitbestimmung, Mai 2013

Die Erfolgsmeldung kommt per SMS. Alan-Thomas Bruce schaut von seinem Handy auf: „Wir haben ihn“, sagt der Mann. Es ist 7.20 Uhr, Bruce sitzt mit seinem Kollegen Matthias Hencken am Schreibtisch im Betriebsratsbüro des Windkraftflügelherstellers Powerblades in Bremer­haven. „Wir haben den Tarifvertrag“, wiederholt er, nicht euphorisch, eher cool. Einige Kollegen der Frühschicht kommen herein, klatschen sich ab, umarmen sich, stellen Fragen. Was ist rausgekommen? Bruce winkt ab, er hat noch keine Details. Im Moment gibt es nur die SMS.

Es ist Donnerstag, der 14. März, und im 100 Kilometer entfernten Hamburg sind gerade die Tarifverhandlungen zwischen IG Metall und dem Windkraftriesen REpower, dem Mutterkonzern von Powerblades, zu Ende gegangen. 16 Stunden haben Vertreter der IG Metall, Betriebsräte und Geschäftsleitung des Hamburger Unternehmens in der letzten, entscheidenden Verhandlungsrunde um eine Einigung gestritten. „Der Abschluss ist ein Riesenerfolg“, kommentiert IG-Metall-Verhandlungsführerin Stephanie Schmoliner das Ergebnis. „Die meisten unserer Forderungen haben wir durchgesetzt, vor allem den Anerkennungs­tarifvertrag.“ Die Einigung sieht eine Angleichung an den Flächentarifvertrag vor – wenn auch mit Abstrichen. So bleibt die Wochenarbeitszeit bei 40 Stunden – in der Metall- und Elektroindustrie sind 35 Stunden die Regel. Bei den Stundenlöhnen macht das einen Unterschied von rund zwölf Prozent aus.

Es gibt teils lange Übergangsfristen mit unterschiedlichen Stichtagen für die drei Unternehmenseinheiten. Für die 280 Mitarbeiter der Tochter REpower Systems GmbH wird die Entgelttabelle der Metall- und Elektroindustrie Hamburg/Unterweser zum 1. April 2014 übernommen. Für die ebenfalls rund 280 Stammbeschäftigten von Powerblades soll es zwischen 1. Oktober 2014 und 1. April 2015 so weit sein. Bis dahin will man sich auf betrieblicher Ebene über Tätigkeitsbeschreibungen und Eingruppierungen einigen. Für gut zwei Drittel der Gesamtbelegschaft, die 1600 Beschäftigten der REpower Systems SE, soll der Entgelttarifvertrag dann zwischen 1. Oktober 2015 und 1. Oktober 2017 in Kraft treten.

Global Player auf Wachstumskurs_ REpower Systems SE gehört zu den Großen der Branche. Im April 2001 durch eine Fusion von vier norddeutschen Windkraftanlagenhersteller entstanden, ist das Unternehmen ein Jahrzehnt später in Deutschland die Nummer drei und spielt auf den internationalen Kernmärkten vorne mit. Insgesamt wurden bisher rund 2500 Windkraftanlagen an Land und auf See errichtet. 2012 hat sich die Mitarbeiterzahl um 23 Prozent auf weltweit über 3200 erhöht. Ende Januar erhielt REpower den Auftrag für 175 Windenergieanlagen im kanadischen Quebec, der größte Auftrag der Firmengeschichte.

REpower ist ehrgeizig: Niemand sonst baut Seewindturbinen in der Sechs-Megawatt-Klasse. 2007 wurde das Unternehmen vom indischen Windkraftriesen Suzlon Energy übernommen, der mit knapp acht Prozent Marktanteil weltweit auf Platz sechs liegt, knapp hinter dem ostfriesischen Rivalen Enercon und nur fünf Prozentpunkte vom Weltmarktführer, der dänischen Firma Vestas, entfernt. Produziert wird in Cuxhaven, Bremerhaven, Eberswalde und an vier weiteren Standorten. In Bremerhaven wurde erst vor zwei Jahren eine große Produktionshalle errichtet, an der Wesermündung entsteht in den nächsten Jahren der weltweit größte Basishafen für Offshore-Windparks.

Doch bisher hatten die REpower-Beschäftigten von dem Erfolg nur in bescheidenem Maße profitiert. Wie bei vielen Unternehmen der jungen Windkraftbranche sind die Arbeits- und Entlohnungsbedingungen eher prekär. Löhne bei REpower liegen 20 bis 30 Prozent unter dem Niveau des Metall- und Elektrotarifvertrags. Bei einer 40-Stunden-Woche im Dreischichtbetrieb kommen Beschäftigte in der Produktion auf Bruttolöhne zwischen 1900 bis 2300 Euro, bei Powerblades wird noch schlechter bezahlt. Zudem setzt REpower stark auf den Einsatz von Leiharbeitern. Bei Powerblades waren im September 2012 zwei Drittel der Belegschaft über Personaldienstleister beschäftigt, erzählt Betriebsratsmitglied Matthias Hencken, der wie die meisten Powerblades-Beschäftigten als Leiharbeiter im Unternehmen angefangen hat. Jetzt sieht der Tarifvertrag eine konzernweite Begrenzung der Leiharbeiterquote auf 20 Prozent vor. Ausnahmen sind möglich, aber nur mit Zustimmung der Betriebsräte – um Auftragsspitzen abzufedern.

Was die Kollegen verändern wollen_ Doch bis dahin war es ein weiter Weg. „Wir haben 2010 angefangen, an den verschiedenen Standorten Aktivenkreise aufzubauen“, berichtet Jonas Berhe vom IG-Metall-Fachbereich Mitglieder und Kampagnen. An Tarifverhandlungen sei damals nicht zu denken gewesen angesichts des mageren Organisationsgrads. „Wir haben überlegt: Was sind die Probleme im Betrieb, die die Kollegen wirklich verändern wollen und können?“ In Bremerhaven war es der Wunsch nach einer Kantine, im brandenburgischen Trampe die Forderung nach Übernahme der Azubis. „Wir haben Fragebogenaktionen in den Betrieben durchgeführt, dabei musste die Anonymität der Kollegen garantiert werden, ansonsten hätten sie vielleicht ihren Arbeitsplatz riskiert“, berichtet Berhe.

Im Sommer 2012 fühlte die Gewerkschaft sich stark genug, die Tarifverhandlungen zu beginnen. Das Unternehmen betonte anfangs, dass ein Tarifabschluss „kostenneutral“ sein müsse. Die IG Metall machte Druck, beinahe wöchentlich gab es betriebliche Aktionen. Im Oktober beteiligten sich 2000 Beschäftigte an Warnstreiks an mehreren Standorten, darunter Hunderte Leiharbeiter. „Natürlich mussten wir auch einige Kröten schlucken“, meint Betriebsratsmitglied Hencken. Besonders der späte Einführungszeitpunkt des Entgelttarifvertrages sorgte bei vielen Kollegen für Unzufriedenheit. „Da musste Überzeugungsarbeit geleistet werden, um zu zeigen, dass die Vorteile klar überwiegen.“ Offenbar mit Erfolg. Am 13. April sprachen sich die IG-Metall-Mitglieder bei Powerblades „mit überwältigender Mehrheit“ für die Annahme des Tarifvertrages aus; ähnlich entschieden auch die Beschäftigten der anderen Standorte.

»Die ›kurze Vollzeit‹ zum Thema machen«

Linke Wissenschaftler fordern eine Kampagne für die 30-Stunden-Woche. Gewerkschafter reagieren eher skeptisch. Ein Gespräch mit Mohssen Massarrat, Jörg Wiedemuth und Steffen Lehndorff

Interview: Jörn Boewe und Johannes Schulten, junge Welt, Beilage 1. Mai 2013

Mohssen Massarrat ist emeritierter Professor für Politik und Wirtschaft an der Universität Osnabrück und Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat von ATTAC. Gemeinsam mit Heinz-J. Bontrup veröffentlichte er das Manifest zur Überwindung der Massenarbeitslosigkeit.
Jörg Wiedemuth ist Leiter der tarifpolitischen Grundsatzabteilung bei ver.di und Verfasser zahlreicher Artikel zum Thema Arbeitszeit
Steffen Lehndorff leitete die Abteilung »Arbeitszeit und Arbeitsorganisation« des Instituts Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen. Seit dem vergangenen Jahr ist er im Ruhestand.

jW: Anfang des Jahres haben Sie, Herr Massarrat, gemeinsam mit Heinz-Josef Bontrup einen Appell für eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung und die Einführung der 30-Stunden-Woche veröffentlicht. Der Aufruf hatte eine große Resonanz in den Medien. Es fiel aber auf, daß unter den über 100 Unterzeichnern nur wenige hauptamtliche Gewerkschaftsfunktionäre waren. Warum haben Sie nicht unterschrieben, Herr Wiedemuth?

Wiedemuth: Mir erschien der Aufruf von seiner Diktion und Stoßrichtung her nicht anschlußfähig. Er bringt vor allem arbeitsmarktpolitische Argumente für eine Arbeitsumverteilung vor. Das ist meiner Meinung nach eine zu enge Argumentation. Bei den Beschäftigten, die letztendlich eine Arbeitszeitverkürzung durch Arbeitskampf durchsetzen müßten, ist sie nicht mobilisierungsfähig. Im Vorfeld des letzten ver.di-Gewerkschaftstages hatte es einige Anträge mit ähnlicher Stoßrichtung gegeben. Wir haben damals die Funktionäre innerhalb von ver.di nach ihrer Einschätzung gefragt: Ist die Forderung nach 30-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich mobilisierungsfähig? Die überwiegende Mehrheit der Funktionäre, die unmittelbar in der Betriebsbetreuung aktiv sind, hat gesagt: Nein. Eine solche Forderung hat, zumindest im Moment, unter den Kolleginnen und Kollegen nicht die Resonanz, die notwendig wäre, um ein solches Projekt mit einigen Erfolgsaussichten anschieben zu können.

jW: Herr Massarrat, sind die Forderungen zu abstrakt?

Massarrat: Ich glaube nicht. Tatsache ist, daß wir seit zwei, drei Jahrzehnten Massenarbeitslosigkeit haben und daß bei den Beschäftigten in den Betrieben die Angst um den eigenen Arbeitsplatz vorherrscht. Schon wenn es darum geht, ihre Alltagsforderungen durchzusetzen, stehen die Belegschaften mit dem Rücken an der Wand. Unter diesen Bedingungen ist es fast unmöglich, daß die Beschäftigten eine offensive Forderung nach Arbeitszeitverkürzung erheben. Sie – wie auch ihre Gewerkschaften – sind zu Gefangenen des Systems des neoliberalen Kapitalismus geworden. In diesem System ist der Handlungsspielraum sowohl für unten wie für oben auf Null reduziert. Diese Situation kann aus unserer Sicht nur aufgebrochen werden durch eine über die Tarifpolitik weit hinaus gehende gesellschaftliche Kampagne, die die Beschäftigten anspricht und die Arbeitslosen mobilisiert.. Es ist doch absurd, daß die Beschäftigten teilweise bis zu 60 Wochenstunden arbeiten und unter Angst, Streß, Burnout leiden, während Millionen Arbeitslose verrotten und durch Nichtstun krank werden. Dieser Zustand muß beendet werden.

jW Herr Lehndorff, sie befassen sich seit vielen Jahren mit dem Thema. Wie haben sich die realen Arbeitszeiten in Deutschland seit den erfolgreichen Streiks für die 35-Stunden-Woche in der Metall- und Elektroindustrie in den 80er Jahren entwickelt? Und was heißt das für die aktuelle Debatte?

Lehndorff: Die Arbeitszeit der Vollzeitbeschäftigten ist bis Anfang der 90er Jahre zurückgegangen. Dann ist sie in Westdeutschland nach und nach wieder gestiegen. In Ostdeutschland ist sie zunächst gesunken. Wir hatten – zumindest bis zur Krise 2007/2008 – die Situation, daß die Arbeitszeiten der Vollzeitbeschäftigten in Ost und West sich einander angenähert haben, allerdings auf dem höheren ostdeutschen Niveau. Das war der Grundtrend. Gleichzeitig haben wir eine Zunahme der Teilzeitarbeit, insbesondere bei Frauen. So sind die Arbeitszeitunterschiede zwischen Frauen und Männern, aber auch unter Frauen größer geworden – teilzeitbeschäftigte Frauen arbeiten im Schnitt 18 Stunden in der Woche.

Das heißt: »Das« Arbeitszeitproblem aller Beschäftigten gibt es heute nicht mehr. Wir haben es mit einer Vielzahl sehr unterschiedlicher Beschäftigtengruppen, mit sehr unterschiedlichen Problemen und Bedürfnissen zu tun. Die Orientierung auf Durchschnittsarbeitszeiten ist daher sehr problematisch. Wir haben eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit aller lohnabhängig Beschäftigten von 34 Stunden. Wir sind also, wenn man so will, bereits auf dem Weg zur 30-Stunden-Woche. Aber das erklärt sich vor allem durch den Boom der Minijobs. Hinter der deutschen Verkürzung der Durchschnittarbeitszeiten steht also in Wahrheit ein konservatives Modell.

Wenn wir zu einer Debatte über Arbeitszeitverkürzung kommen wollen, müssen wir von den unterschiedlichen tatsächlich vorhanden Arbeitszeitproblemen der Beschäftigten ausgehen. Wir dürfen nicht so tun, als könne Arbeitszeitpolitik ein Mittel zum Zweck sein. Natürlich würde es Beschäftigungseffekte haben, wenn sich die durchschnittliche Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten verkürzt. In erster Linie ist Arbeitszeitpolitik aber Selbstzweck.

Massarrat: Konservativ ist, die Arbeitszeitpolitik ausschließlich auf die Belange der heute Beschäftigten zu reduzieren. So würden die Gewerkschaften auf der Stelle treten, nie Vollbeschäftigung und nicht einmal höhere Löhne entsprechend der Produktivitätssteigerung durchsetzen. Wir haben mit Massenarbeitslosigkeit mit drei bis sechs Millionen Arbeitslosen, je nachdem, wie gerechnet wird, zu tun. Die Überwindung der Massenarbeitslosigkeit steht nicht im Widerspruch zu individuellen Bedürfnissen der Beschäftigten. Die 30-Stundenwoche soll lediglich eine Zielmarke angeben. Im Detail kann eine radikale Arbeitszeitverkürzung konzipiert werden, die differenziert nach spezifischen individuellen und betrieblichen Interessen gestaltet ist. Eine gute Arbeitszeitpolitik sollte auch Mittel zum Zweck, also zur Überwindung der Massenarbeitslosigkeit dienen, warum eigentlich nicht?

jW: Wenn Sie von 30-Stunden-Woche reden, meinen Sie also nicht die Regelarbeitszeit der Vollzeitbeschäftigten, sondern die durchschnittliche Wochenarbeitszeit aller Lohnabhängigen? Doch das haben wir fast schon erreicht, wenn wir jetzt bei 34 Stunden im Schnitt liegen.

Lehndorff: Mit der nächsten Million Minijobs sind wir bei der 30-Stunden-Woche, das ist doch der Witz.

Massarrat: Wir sagen ja auch in unserem Manifest, daß wir auch bei einer 30-Stunde-Woche noch keine Vollbeschäftigung hätten. Da blieben immer noch eine Million Menschen arbeitslos. Deshalb plädieren wir zusätzlich für einen Ausbau des öffentlichen Dienstes.

Lehndorff: Wir sind uns doch einig, daß ein Schwenk zu einer anderen Wirtschaftspolitik, ein Schwenk hin zu mehr Beschäftigung, nur durch gesellschaftlichen Druck ermöglicht werden kann. Und die Frage ist: Wo sind denn die Ansatzpunkte für eine gesellschaftliche Bewegung, die einen derartigen Druck entwickeln kann? Ein Punkt ist aus meiner Sicht die zunehmende gesellschaftliche Ungerechtigkeit. Das ist eine Frage, die breit wahrgenommen und diskutiert wird.

Die beiden großen Stellschrauben, an denen wir drehen müssen, sind die Regulierung des Arbeitsmarktes: Gesetzlicher Mindestlohn, Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen, Abschaffung der Minijobs usw. Und: Der Ausbau der öffentlichen Dienstleistungen. Das setzt voraus, daß sich die Einnahmebasis des Staates verbessert, was nur möglich ist durch eine Steuerreform, die hohe Einkommen und Vermögen deutlich stärker in die Pflicht nimmt. Diese zwei Stellschrauben sind zugleich entscheidend für eine veränderte Rolle Deutschlands in Europa.Warum konzentrieren wir uns nicht auf solche Themen, wenn es um gesellschaftliche Bewegung in Richtung Kurswechsel geht?

Zu sagen, wenn wir alle kürzer arbeiten, geht die Massenarbeitslosigkeit zurück – so kommen gesellschaftliche Bewegungen nicht in Gang. Es ist sicher sinnvoll, die 30-Stunden-Woche im Sinne eines künftigen Standards zu diskutieren – so wie heute die 40-Stunden-Woche faktisch ein weit verbreiteter Standard für die meisten Vollzeitbeschäftigten ist. Dahin kommt man, indem man z. B. die Frage »kurzer Vollzeit« auf die Tagesordnung setzt. Etwa wenn Eltern kleiner Kinder sagen: Ich will die nächsten zwei Jahre nur 30 Stunden arbeiten. Nicht nur die Mütter, auch die Väter. Damit schaffen wir eine Basis von Erfahrungen, daß Leute sagen, es geht auch anders. Es ist kein Naturgesetz, daß die vollzeitbeschäftigten Väter immer länger arbeiten und die Mütter in einem Minijob feststecken.

jW: Herr Wiedemuth, sind das Modelle, die bei ver.di diskutiert werden?

Wiedemuth: Wir haben bei der ver.di-Grünung 2002/2003 so eine Arbeitszeitinitiative versucht. Wir waren zunächst konfrontiert mit einer großen Skepsis der Beschäftigten, ob eine weitere Verkürzung der Arbeitszeit für sie überhaupt in Frage kommt. Die Situation im Dienstleistungsbereich ist durch einen sehr hohen Anteil von Teilzeitarbeit geprägt, und eine pauschale Verkürzung der Wochenarbeitszeit bringt für diese Beschäftigtengruppe überhaupt nichts. Die Erfahrungen, die die Kolleginnen und Kollegen mit Arbeitszeitverkürzung gemacht hatten, waren auch nicht durchweg positiv: Es gab keine neuen Einstellungen, wohl aber Leistungsverdichtung. Eine Folge davon war, daß viele Beschäftigte gar nicht mehr in der Lage sind, ihre Arbeit bis zum Regelrenteneintrittsalter fortzuführen bzw. unter Bedingungen ausscheiden, die so­zial nicht akzeptabel sind. Wir haben also begonnen, Modelle zu entwickeln, die es den Beschäftigtengruppen, die unter physisch oder psychisch sehr anstrengenden Bedingungen arbeiten, erlauben, früher aus dem Erwerbsleben auszuscheiden. Dabei aber keine oder weniger Abschläge von der Altersrente hinnehmen müssen. Diese Modelle sind teilweise bereits verwirklicht worden, etwa bei der Post AG.

Das Problem mit diesem Aufruf scheint mir folgendes: Unter den Beschäftigten herrscht eine breite Skepsis gegenüber dem Thema vor, im Unternehmerlager gibt es eine vehemente Ablehnung. Wir würden uns also ohne Bündnispartner – abgesehen von den Initiatoren des Aufrufes – daran machen, das dickste Brett zu bohren, das die Gewerkschaften sich überhaupt vornehmen können. Denn mit einem Warnstreik wäre diese Auseinandersetzung nicht abgetan. Die Kollegen in den Betrieben müßten bereit sein, das zu einer grundsätzlichen Auseinandersetzung zu machen.

Wenn die Bedingungen für eine erfolgreiche Kampagne also nicht erfüllt sind und auch in kurzer Zeit nicht herstellbar sind, dann wäre es für Gewerkschaften sehr leichtsinnig, die Kolleginnen und Kollegen in diese Richtung zu orientieren. Die Beschäftigten werden eine Forderung wie die der Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit durch Umverteilung der Arbeit auf alle Schultern immer mit ihrer Situation abgleichen und fragen: Was habe ich persönlich davon? Und wenn man ihnen sagt: Dein Arbeitsplatz wird dadurch sicherer, oder: Arbeitslose kriegen einen Arbeitsplatz – dann reicht reicht das nicht aus, um eine wirkliche Mobilisierung auf den Weg zu bringen.

Massarrat: Ihr beide, Jörg und Steffen, redet doch nur über die Beschäftigten, die Millionen Arbeitslose sind offenbar kein Thema. Wir sollten in Rechnung stellen, daß Gewerkschaften seit gut zwanzig Jahren in der Defensive sind, eine Nullrunde nach der anderen abschließen, daß sie nicht verhindern konnten, daß eine Umverteilung von unten nach oben stattfand und weiter stattfindet, und dann auch fragen, warum das so ist. Tatsächlich befinden wir uns in einem völlig neuen System, in dem die Angststrategie der Kapitalseite dominiert. Natürlich ist es für die Gewerkschaften schwierig, sich um die Arbeitslosen zu kümmern. Aber sie können die Interessen der Beschäftigten auf Dauer nur glaubhaft vertreten, wenn die Gewerkschaften auch die Arbeitslosen einbeziehen. Eine Kleinklein-Politik ist jedoch außerstande, etwas zu bewegen. Die Mindestlohnkampagne der Gewerkschaften hat beispielsweise beinahe zehn Jahre in Anspruch genommen, und wo stehen wir heute damit? Wenn weiter so vorgegangen werden sollte, dann wären dreißig bis vierzig Jahre nötig, um kleine Projekte wie Mindestlohn, Leiharbeit, Abschaffung von Minijobs etc. mehrheitsfähig zu machen. Und ich bin sicher, daß die Kapitalseite in der Zeit neue Ideen durchsetzen wird, um weiterhin, die Beschäftigten unter Dauerdruck zu halten.

Lehndorff: Es ist unstrittig, daß Gewerkschaften in Deutschland seit Jahren in der Defensive sind, in anderen Ländern teilweise sogar noch länger. Die Frage ist aber, ob ausgerechnet die Forderung nach der 30-Stunden-Woche der entscheidende politische Schlüssel ist, aus dieser Situation herauszukommen und eine neue gesellschaftliche Bewegung weg vom Neoliberalismus aufzubauen. Das bezweifle ich eben. Jörg und mir geht es nicht darum, das Schicksal der Arbeitslosen in den Hintergrund treten zu lassen, sondern es geht uns um die wirkliche Bewegung jenseits der papiernen Forderungen. Und es ist einfach so, daß kürzere Arbeitszeiten in allererster Linie von den Beschäftigten durchgesetzt werden müssen.

Massarrat: Die Beschäftigten können gegenwärtig doch nicht selbst mit dem Wunsch nach kürzeren Arbeitszeiten ans Management herantreten, weil sie auf der untersten Ebene am wenigsten Gegendruck erzeugen können. Anders wäre es, wenn es gelänge, eine gesamtgesellschaftliche Kampagne für Arbeitszeitverkürzung durchzuführen, wenn das Thema intensiv in den Medien diskutiert würde, wenn in Fernsehdebatten den Gegnern zur Rechfertigung der Absurdität von Massenarbeitslosigkeit die Argumente ausgehen. Dann können auch die Menschen in den Betrieben aktiv werden. Widerstand und Selbstsicherheit können nur über gesellschaftliche Kampagnen transportiert werden und nicht über isoliertes kleinklein.

jW: Mit Gramsci fordern Sie, Herr Massarrat, also eine Art gegen hegemoniellen Diskurs, den der DGB entfachen soll.

Wiedemuth: Aber so funktioniert gewerkschaftliche Politik nun einmal nicht.

Massarrat: Aber Politik funktioniert so. Deshalb sagen wir, Arbeitszeitverkürzung muß ein gesamtgesellschaftliches Thema werden, bei dem Aspekte wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Arbeiten, ohne ständig Angst zu haben, Vollbeschäftigung und Arbeit für ein gutes Leben und Zeit für Muße zur Sprache kommen.