Im Osten was Neues …

Zwei Veröffentlichungen aus unserem Haus schauen in diesem Frühsommer Richtung Osten: Ein Gespräch mit Katja Barthold, Boris Bojilov und Stefan Bornost über die Chancen und Schwierigkeiten gewerkschaftlicher Arbeit in Ostdeutschland (erschienen in der Zeitschrift Luxemburg 1/2023). Eine der Kernthesen bringt Stefan Bornost so auf den Punkt: „Organisierung klappt. Hauptsächlich, weil die Arbeitsmarktsituation heute eine andere ist. Die Leute haben weniger Angst.“ >>> mehr>>>

Außerdem gibt es einen Artikel im aktuellen Heft der Zeitschrift Sozialismus (Nr. 6/2023) aus Hamburg, in dem wir dafür argumentieren, IG Metall und Betriebsräte deutscher Unternehmen sollten im Prozess der aktuellen Transformation der Automobilindustrie die osteuropäische Peripherie genauer in den Blick nehmen: „Auch wenn China und die USA als Produktionsstandorte und Absatzmärkte an Bedeutung gewinnen und im globalen Subventionswettlauf etwa um die Ansiedlung neuer Batteriefabriken eine enorme Sogwirkung entfalten, lohnt es sich für die IG Metall und die europäischen Automobilarbeitergewerkschaften, die unmittelbare Peripherie nicht aus dem Fokus zu verlieren. Osteuropa bleibt für die deutsche Autoindustrie verlängerte Werkbank und strategischer Zielort für die Verlagerung arbeitsintensiver Produktion – und inzwischen sogar mehr als das.“ Die Antwort auf den Verlagerungsdruck kann nur gewerkschaftliche Kooperation und Unterstützung in den Zielländern sein. Dafür braucht es Strategie, Ressourcen und einen langen Atem. Aber: Es gibt durchaus Beispiele, dass das funktionieren kann, wie etwa das der Mercedes-Benz-Tochter StarTransmission im rumänischen Cugir zeigt, wo es der Gewerkschaft SindICAtul Liber Independent (ICA) gelang, mit Unterstützung von IG Metall und industriALL einen Tarifvertrag zu erkämpfen. Und andererseits? Es gibt dazu keine Alternative, so einfach. >>> mehr >>>

 

 

 

IG-Metall fordert Vier-Tage-Woche: Eine Zeit-Revolution für alle

Die Forderung der IG Metall nach einer Vier-Tage-Woche ist mehr als nur Tarifpoker: Es geht um die Frage, wer die Kontrolle über unsere Zeit hat

12. April, Freitag.de

Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich – mit dieser Forderung will die IG Metall in die Ende 2023 anstehende Stahl-Tarifrunde ziehen. Real geht es um die Verkürzung der tariflichen Wochenregelarbeitszeit von 35 auf 32 Stunden, dies allerdings bei vollem Lohnausgleich. Das hat es lange nicht mehr gegeben.

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In China quietschen die Reifen


Während die Politik in Deutschland weiterhin Mobilität nur rund um das Auto denkt, bleibt in der Autoindustrie gerade kein Stein auf dem anderen. Lange, zu lange, haben die deutschen Hersteller auf den „sauberen Diesel“ gesetzt. Inzwischen bauen VW, Mercedes und BMW auf Elektromobilität – mit großen Versprechungen und mäßigem Erfolg. Digitalkonzerne und Batterieproduzenten machen den alten Automobilkonzernen die Kontrolle der Wertschöpfungsketten streitig. Neue Player wie Tesla, aber auch in Europa bislang weitgehend unbekannte Hersteller aus China, geben den Takt vor.

Meine 2 Cents im neuen Freitag. Im gut sortierten Zeitungshandel. >>> Artikel als PDF

>>> Jörn Boewe/Johannes Schulten: Die Transformation der globalen Automobilindustrie. Trends, Deutungen, sozialökologische Handlungsstrategien – Ein Handbuch für die gewerkschaftliche und politische Praxis #automotive #transformation #Verkehrswende #mobility #Mobilitätswende
https://www.rosalux.de/publikation/id/50028?fbclid=IwAR0CnEOEBTYMAEIRYRl0xM89tXrb61WyYZ3RS0mc4ZPkh80RVdnMSkkqwRI

Deutschland streikt!

… ist der Titel meines Leitartikels in der neuen Ausgabe der Wochenzeitung Der Freitag, 12/2023. „Gefühlt wird in Deutschland derzeit so viel gestreikt wie lange nicht“, heißt es darin. „Die  aktuellen Arbeitsniederlegungen werden in der Öffentlichkeit viel stärker wahrgenommen als etwa die Warnstreiks in der Metall- und Elektroindustrie im Herbst.“ Das ist aber nicht so, „weil mehr gestreikt wird, sondern weil sie das Alltagsleben vieler Menschen direkt  tangieren. Wenn ein paar Tage keine Pakete kommen, der Müll liegen bleibt oder Busse  und Bahnen nicht fahren, merkt man das sofort. Für die Gewerkschaften hat das Vor- und  Nachteile: Sie haben die große Bühne für ihr Thema, müssen sie aber auch bespielen können. Die Sympathie für Streiks, von denen man selbst betroffen ist, besonders im Verkehrssektor, ist fragil, der Kampf um die öffentliche Meinung kein Selbstläufer.“ Denn: „Die Hegemonie haben andere.“ Im aktuellen Freitag, ab Donnerstag am Kiosk.                                                                     >>> zum Artikel >>>

Organisieren am Konflikt

„Mitglieder wollen sich beteiligen und mitbestimmen, wenn es um ihre persönlichen und  unsere gemeinsamen Interessen geht.“ Der Satz ist von Andrea Kocsis, ver.di-Vizevorsitzende und die Frau hinter dem aktuellen Streik bei der Post. Er steht in dem VSA-Buch „Organsieren am Konflikt“  von 2013, dem Organizing-Klassiker von ver.di. 2013 erschien, ebenfalls bei VSA, auch „unser“ vom damaligen IG-Metall-Vize herausgegebenes Buch „ORGANIZING. Die Veränderung der gewerkschaftlichen Praxis

durch das Prinzip Beteiligung“ (das IG Metall-Pendant sozusagen). Der Titel „Organisieren am Konflikt“ stammt eigentlich von Heiner Dribbusch und steht über seinem Beitrag im ver.di-Buch. Und weil er so schön ist, hat ihn jemand nun ein drittes Mal „ausgeliehen“ und über mein Kocsis-Porträt gesetzt, das ich Ende Februar für die Wochenzeitung Der Freitag geschrieben habe. Leider ist mir ein Zahlendreher unterlaufen: Andrea Kocsis ist 1965 geboren, nicht ’56, wie in der Druckfassung steht.

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Empowerment der kleinen Leute

„Zitzelsberger macht es vor“ hat die Freitag-Redaktion über meinen Kommentar zur Metall-/Elektro-Tarifrunde geschrieben. Für meinen Geschmack klingt das ein bisschen zu sehr nach Personenkult, aber es ist natürlich nicht falsch. Tatsächlich ist der vor einer Woche erzielte Pilotabschluss vor allem ein Ergebnis des guten Zusammenspiels von vielen Hunderttausenden in den Betrieben und einer strategisch klugen Führung.

Auch wenn das Ergebnis unterm Strich einen bitteren Reallohnverlust bedeutet, wird es in den Betrieben dennoch als Erfolg gewertet. Warum? Weil es dort ein feines Gespür für die politisch-ökonomische Lage gibt. Wünschen kann man sich viel, man muss es aber auch durchsetzen können. An der Basis der IG Metall überwiegt wohl die Überzeugung, dass dieses Ergebnis nicht das schlechteste ist, was hätte herauskommen können.

Mehr noch: Es kam überhaupt nur deshalb zustande, weil es bundesweit eine Mobilisierung durch betriebliche Aktive gab, wie man sie von früheren Tarifrunden in dieser Form nicht kannte. Erstmals wurde eine M/E-Tarifbewegung bundesweit als Organizing-Kampagne aufgezogen. Auch wenn der Abschluss oberflächlich betrachtet ohne großen Konflikt erreicht wurde, deutet sich hier eine Kulturrevolution in der IG Metall an. Die dürfte für manche noch schmerzhaft werden, geht sie doch mit Kontrollverlust für Betriebsräte und Apparat – die traditionellen Machtzentren der Organisation – einher.

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Sauber: 12,5 Prozent mehr Lohn!

Wie schafft es eine Gewerkschaft ausgerechnet in so einer harten Branche wie der Gebäudereinigung, eine zweistellige Lohnerhöhung durchzudrücken? Darum geht’s in meiner Reportage „Sauber …“ im aktuellen Freitag (ab 20. Oktober am Kiosk).

Als Bonustrack gibt’s noch eine steile These: Tarifpolitik stößt zunehmend an Grenzen, weil Inflation Kaufkraft frisst, aber auch, weil sie keine Antworten hat auf die „unzähligen Ungerechtigkeiten und Demütigungen, die der Struktur des neoliberalen Dienstleistungskapitalismus selbst eingeschrieben sind (…) Subunternehmerketten, Fremdvergaben, aufgeblähte Controlling-Bürokratien voller Bullshit-Jobs auf der einen Seite und Personalmangel auf Seiten all jener, die die Arbeit erledigen müssen – die Liste ließe sich seitenlang fortschreiben. Auf den Wahnsinn der spätkapitalistischen Arbeitswelt strategische Antworten zu finden: Das ist die gewerkschaftliche Mammutaufgabe der nächsten Jahre.“

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Kommt ein heißer Herbst?

Die Preise steigen. Deutschland schlittert in die schlimmste Inflation seit 70 Jahren. Mit Tarifpolitik allein kann der Kaufkraftverlust nicht abgefangen werden. Allerdings könnten die kommenden Tarifrunden zum Motor einer breiten sozialen Bewegung gegen die Preistreiberei werden. Gewerkschaften und Linke sollten sich allerdings auch mit dem Gedanken anfreunden, dass vielleicht nicht sie an der Spitze der Proteste stehen werden – und schon gar nicht automatisch. Das wäre aber auch nicht gleich eine Katastrophe. Dazu ein Hintergrundartikel von Jörn Boewe in analyse & kritik.

Herrschaft als kriminelle Vereinigung

Das „Racket“ – der Baseballschläger – war eine beliebte stumpfe Schlagwaffe nicht nur deutscher Neonazis, sondern auch der italoamerikanischen Cosa Nostra. Brian De Palma hat die Sache 1987 filmisch umgesetzt in „The Untouchables“ („Die Unbestechlichen“ – es gibt eine Szene, in der Robert De Niro als Al Capone einen Geschäftspartner mit so einem Ding erschlägt.

Das „Racket“ wurde aber bald auch zum Synonym für die organisierte Kriminalität schlechthin. Die aus Nazi-Deutschland emigrierten Soziologen Max Horkheimer und Theodor Adorno benutzten den Begriff, um Cliquenbildungen innerhalb herrschender Klassen zu beschreiben.

Taugt der Racket-Begriff heute noch für die Analyse? Ja, vielleicht mehr denn je, meint Kai Lindemann, der ein Buch darüber geschrieben hat. Was ja schon allein deshalb bemerkenswert ist, weil in Deutschland seit ein paar Jahren wieder viel über „Klasse“ gesprochen wird, aber so gut wie nie über die herrschende Klasse. Ich habe mit dem Autor für die Wochenzeitung Der Freitag (27. Juli, Ausgabe 30/202) gesprochen.

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„Der Tunnelblick der Experten“

Der Historiker und Arzt Karl Heinz Roth hat ein brillantes Buch über die Coronapandemie seit 2019 geschrieben. Der 500 Seiten starke Band „Blinde Passagiere. Die Coronakrise und die Folgen“ ist im Grunde eine Medizin- und Sozialgeschichte. Für die Wochenzeitung Der Freitag habe ich mit dem Autor über einige seiner zentralen Ideen und Fragestellungen gesprochen. Es geht um die Besonderheiten der SARS-CoV-2-Pandemie aus medizinischer Sicht, um ihre Rolle als Beschleuniger der digitalen Revolution, um Verschiebungen im politischen Diskurs und die Krise der Linken.

„Pandemien sind natürliche Prozesse, deren Verlauf  durch die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umstände beeinflusst wird“, sagt Roth. „Der Tunnelblick der Experten thematisiert in der aktuellen Coronapandemie jedoch nur bestimmte Einzelaspekte. Meistens tut er das auch mehr oder weniger richtig.  Nur verallgemeinert er diese Einzelaspekte unter Ausschluss der anderen. Im Grunde ist das klassisches Fachidiotentum.“ Sein Fazit: „Wir befinden uns (…) in einer Situation, in der sich
die Wissenschaft im Blindflug befindet – die Politik aber auch.“

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