Wie kann sich die Klima­bewegung mit den Arbeiter*innen der Auto­industrie verbünden?

»Die Automobilkonzerne sind privatkapitalistische Unternehmen, die Profite erwirtschaften wollen. Das ist die eine Seite. Die andere Frage ist, was technisch machbar ist und gesellschaftlich sinnvoll wäre. Und auf dieser Seite ist eben das Produzent*innenwissen, das fachliche, ingenieurtechnische Knowhow usw. der Belegschaften.«

Zur Studie »E-Mobilität – ist das die Lösung?« (Stephan Krull/Jörn Boewe/Johannes Schulten) hat Jan Ole Arps von ak – analyse & kritik mit Jörn Boewe gesprochen.
>>> https://www.akweb.de/bewegung/wie-kann-sich-die-klimabewegung-mit-den-arbeiterinnen-der-autoindustrie-verbuenden/

Geliehene Macht

Porträt: Daniela Cavallo ist „Gastarbeiter“-Tochter, IG-Metallerin und jetzt Betriebsratsvorsitzende bei VW. Von Jörn Boewe, Der Freitag 28/2021

Bis vor kurzem war ihr Name in der Öffentlichkeit nahezu unbekannt, seit Ende April ist sie wohl die mächtigste ehrenamtliche Gewerkschaftsfunktionärin der Welt: Daniela Cavallo, 46 Jahre alt, IG-Metall-Mitglied, hat den Vorsitz des „Gesamt- und Konzernbetriebsrats“ der Volkswagen AG übernommen. Sie löst Bernd Osterloh ab, der als Personalchef zur VW-Nutzfahrzeugtochter Traton wechselte.

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„E-Mobilität – ist das die Lösung? Eine Befragung von Beschäftigten zum sozial-ökologischen Umbau der Autoindustrie“

Heute erscheint unsere Studie zur Sicht von Industriebeschäftigten auf Themen wie Klimawandel, Mobilität und Transformation: „E-Mobilität – ist das die Lösung?
Eine Befragung von Beschäftigten zum sozial-ökologischen Umbau der Autoindustrie“. Das Ganze kann hier heruntergeladen werden:
https://www.rosalux.de/publikation/id/44586
In der nächsten Woche sollte es auch die Printversion (gratis) geben. Erhältlich ebenfalls bei der RLS oder direkt über uns: kontakt(at)work-in-progress-journalisten.de

Auf Grundlage von 38 Interviews vor allem mit Betriebsratsmitgliedern und gewerkschaftlichen Vertrauensleuten deutscher Automobilhersteller, Zulieferer und anderer verkehrsmittelproduzierender Industriebetriebe werfen Jörn Boewe, Stephan Krull und Johannes Schulten ein Schlaglicht auf die Potenziale eines sozial-ökologischen Umbaus, aber auch die Hindernisse, die eine solche Politik überwinden muss.

Das Fazit unserer Studie:

Die Sicht in den Betrieben und gewerkschaftlichen Gremien ist differenzierter, als die durch Einlassungen von Gewerkschafts- und Betriebsratsspitzen sowie der Regierung geprägte öffentliche Meinung nahelegt. Belegschaften, Gewerkschaftsmitglieder und ehrenamtliche Funktionär*innen sind keine Bastion von Verfechter*innen einer vorökologischen Industriepolitik. Vielmehr finden sich Potenziale und Anknüpfungspunkte für eine sozial-ökologische Mobilitätswende.

 Ein Selbstläufer ist ein sozial-ökologscher Umbau damit natürlich noch nicht. Denn es gibt in den Belegschaften eine verbreitete Skepsis gegenüber „der Politik“, einen auch nur halbwegs adäquaten Ausbau des Schienenverkehrs, des ÖPNV oder gar den Aufbau innovativer multimodaler und vernetzter Mobilitätssysteme ernsthaft in Angriff zu nehmen. Verbreitet sind auch berechtigte Befürchtungen, dass eine allein unternehmensseitig vorangetriebene Transformation der Industrie mit einem Abbau von tariflich abgesicherten Arbeitsplätzen sowie einer massiven Prekarisierung und Entqualifizierung der Arbeit einhergehen könnte.

 Vielmehr zeigt sich, wie nötig es ist, den gesellschaftlichen Konsens, wirksame Schritte gegen den Klimawandel auch im Verkehrssektor zu gehen, mit einem politischen Masterplan und einer breit anschlussfähigen Vision für ein sozial gerechtes, ökologisches Verkehrsmodell der Zukunft zu verbinden.

 

Ohne Revolutionen dauern die Dinge länger

Die IG Metall ficht mit den Arbeitern in Ostdeutschland eine alte Ungerechtigkeit aus: die Lohnmauer

Von Jörn Boewe, der Freitag, 17/2021

„Beinhart verteidigen Sachsens Metallarbeitgeber eines der letzten Symbole der Spaltung Deutschlands: die 38-Stunden-Woche. Mehr als drei Jahrzehnte nach dem Mauerfall steht die Lohnmauer immer noch. Ausgerechnet in der produktivsten und profitabelsten Branche, der Metall- und Elektroindustrie, arbeiten die ostdeutschen Beschäftigten jede Woche unbezahlt drei Stunden länger als ihre Kollegen im Westen. Mit Warnstreiks in den ostdeutschen Autofabriken von Porsche, BMW und Volkswagen macht die IG Metall gerade mobil, um die Sache endlich zu Ende zu bringen.“ Kommentar von Jörn Boewe im aktuellen Freitag. Ab sofort überall, wo es Zeitungen gibt.

https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/ohne-revolutionen-dauern-die-dinge-laenger-etwa-der-kampf-um-die-35-stunden-woche

Organizing Ryanair – eine Analyse über moderne Ausbeutung

Vor der Corona-Pandemie boomte das Geschäft der Billigfluglinien. Easyjet, Wizz-Air oder Ryanair haben Flüge innerhalb Europas für zum Teil unter 10 Euro angeboten. Den Grundstein für diese Dumping-Ticketpreise hat das irische Luftfahrtunternehmen Ryanair gelegt, als es 1997 auf das europäische Festland expandierte. Die billigen Flugtickets haben jedoch ihren Preis: schlechte Arbeitsbedingungen. Ryanair ist »ein zentraler Treiber der Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen im europäischen Luftverkehr«. Radio Corax sprach mit Jörn Boewe über die kürzlich bei der RLS erschienene Studie „Organizing Ryanair“. (Die Publikation kann hier kostenfrei bestellt werden.)

Organizing Ryanair – eine Analyse über moderne Ausbeutung

Hauptsache, dem Spargel geht es gut

Für Erntehelfer*innen gibt es nur Mindestlohn und kaum Arbeitsschutz

Von Jörn Boewe, 20. April 2021 |ak 670

Die Spargelernte beginnt – und mit ihr kommt eine der übelsten Ausbeutungsmaschinerien der Republik ins Rollen: die saisonale Landwirtschaft. Rund eine Viertelmillion Menschen, überwiegend aus Osteuropa, arbeiten von März bis Oktober auf deutschen Feldern, um die »Ernährungssicherheit« der Republik zu gewährleisten. Vom Spargelstechen übers Erbeerenpflücken bis zur Weinlese – die Arbeit in der Ernte ist ein Knochenjob. Dennoch wird dafür praktisch überall nur der gesetzliche Mindestlohn gezahlt – in diesem Jahr 9,50 Euro. Leute, die das als skandalös niedrig empfinden, hört man in der öffentlichen Diskussion eher selten. Weiterlesen

Die US-Arbeiterbewegung lernt

Amazon: Der Kampf für eine Gewerkschaft scheiterte auch an den Arbeitern selbst. Vorbei ist er aber noch nicht.  Jörn Boewe, Johannes Schulten, Der Freitag, 15/2021, 15. April 2021

In Bessemer, Alabama, wurde sie deutlich, die ideologische Lufthoheit Amazons auf dem Gebiet der „labor relations“: Dass die Beschäftigten des dortigen Logistikzentrums gegen eine gewerkschaftliche Vertretung stimmten, demonstriert die Macht des Konzerns eindrucksvoll: Er hat der Welt gezeigt, dass er willens und in der Lage ist, das Prinzip der„direkten Kommunikation“ zu verteidigen. Die direkte Beziehung zwischen Management und Beschäftigten, ohne Gewerkschaft als dritte Partei gehört zu Amazons strategischem Plan und Narrativ, genau wie die ständige Expansion und das entfesselte Datensammeln.

Nur 738 Arbeiter hatten für eine Gewerkschaftsvertretung gestimmt, 1.800 dagegen, rund die Hälfte nahm gar nicht erst teil. Sicher, Beschäftigte wurden eingeschüchtert, mit SMS und Flugblättern bombardiert. Doch Amazon hat die Schlacht nicht allein und wohl nicht mal vor allem mit seiner überlegenen Macht gewonnen. Das Unternehmen zahlt einen Stundenlohn von 15,30 US-Dollar. Das ist nicht viel für einen anstrengenden Logistikjob – aber doppelt so hoch wie der Mindestlohn in Alabama. Die Verbesserungen, die eine Gewerkschaftsvertretung bringen sollte, waren dagegen nur ein Versprechen. Doch um glaubwürdig zu sein, braucht es Vertrauen. Das lässt sich nicht aufbauen, wenn sich der Kontakt zu den Beschäftigten auf einen kurzen Wortwechsel beim Flyerüberreichen am Autofenster vor dem Werkstor reduziert. Ein Zugangsrecht zum Betrieb für Gewerkschaften gibt es im US-Arbeitsrecht nicht, auf Haustürgespräche verzichtete die Gewerkschaft wegen Corona.

Nicht mal die außergewöhnlich gewerkschaftsfreundliche Berichterstattung großer US-Medien konnte das Ruder herumreißen. Lautstarke Unterstützung, ob von linken Prominenten wie Bernie Sanders, von Black-Lives-Matter-Aktivisten, ja selbst vom US-Präsidenten, verpufft, wenn die Gewerkschaft nicht in der Lebensrealität der Menschen vorkommt. Das ist wohl die wichtigste Lehre der Abstimmung von Bessemer.

Der lange Kampf der Amazon-Beschäftigten ist damit nicht vorbei. Schon organisiert die Truckergewerkschaft Teamsters in Iowa und Paketkuriere entlang der Lieferketten, ohne sich von den Spielregeln der „Anerkennungsabstimmungen“ abhängig zu machen. Die US-Arbeiterbewegung lernt.

 

Amazon in den USA: Promi-Beifall reicht nicht

Die US-amerikanische Handelsgewerkschaft RWDSU hat eine historische Abstimmung gegen den Amazon-Konzern verloren. Das Ergebnis ist ein Rückschlag, aber keine Katastrophe. Es „sollte anregen, die Bedeutung von PR-Kampagnen und gewerkschaftsfreundlicher Medienberichterstattung nicht zu überschätzen. Gewerkschaften müssen wieder stärker in die Lebensrealität jener Menschen eintauchen, die sie vertreten wollen.“

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1150608.bessemer-in-alabama-amazon-in-den-usa-promi-beifall-reicht-nicht.html

Amazon – zweimal draufgeschaut

Kurz vor Ostern ist noch einiges passiert bei Amazon. In Italien bestreikte ein Bündnis aus drei landesweiten Gewerkschaften erstmals die komplette Lieferkette von den Versandzentren bis zur Paketzustellung. Wir haben darüber für den Freitag mit dem italienischen Soziologen Francesco Massimo gesprochen, das Interview erschien online im Freitag >>> hier >>>
In den USA endete die Stimmabgabefrist im Versandzentrum BHM1 in Bessemer bei Birmingham, Alabama. Bei der Abstimmung entscheiden die rund 6000 Beschäftigten darüber, ob sie künftig von der Gewerkschaft RWDSU vertreten werden wollen. Das Ergebnis muss noch ausgezählt werden. Wir haben mit den beiden US-amerikanischen Soziologen Jake Alimahomed-Wilson und Ellen Reese über den „kometenhaften Aufstieg“ des Internetkonzerns gesprochen, und darüber, warum die beiden ihn für einen „Schlüsselmoment im globalen Kapitalismus“ halten. Das Gespräch erschien in der Onlineausgabe der Zeitschrift Luxemburg >>> hier >>>
Wir wünschen angenehme Lektüre und schöne Feiertage!

„Elektro-SUVs lösen kein Problem“

„Das Problem ist das Geschäftsmodell der Branche, das dafür ausgelegt ist, jährlich 70 Millionen Autos in den Weltmarkt zu drücken.“ Der Mann, der das sagt, ist Betriebsratsvorsitzender des zweitgrößten VW-Werks in Deutschland (Kassel-Baunatal mit 17.000 Beschäftigten), ist IG Metaller und heißt Carsten Bätzold. Wir haben mit ihm für die Wochenzeitung Der Freitag gesprochen. Bätzold spricht unbequeme Wahrheiten aus, die man von den Betriebsratsvorsitzenden der großen Automobilkonzerne so noch nicht gehört hat: „Was wir brauchen, sind weniger Autos, kleinere Autos, ein Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs mit bedarfsgerechten Rufbus- und Carsharing-Angeboten für den ländlichen Raum.“ Im aktuellen Freitag (12/2021), ab sofort überall dort, wo es Zeitungen gibt.

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