Kreative Modeketten

Modekonzerne sind erfinderisch – auch wenn es darum geht, Auslandsgesellschaften zu gründen – ohne Mitbestimmung. Dagegen setzt ver.di auf die Aktivierung der Beschäftigten, auf Betriebsräte und Tarifverträge.

Von Jörn Boewe und Johannes Schulten, Magazin Mitbestimmung, 04/2016

Im Jahr 2007 sollte es soweit sein: Ein paritätisch besetzter Aufsichtsrat für Deutschlands zweitgrößten Textilhändler. 319 Filialen mit 10 746 Beschäftigten hatte H&M zu diesem Zeitpunkt. Weit mehr als die 2000 Mitarbeiter, ab denen das Unternehmen laut deutschem Mitbestimmungsgesetz zur Einrichtung eines paritätisch besetzten Aufsichtsrats verpflichtet ist. Seit der Jahrtausendwende war es den Beschäftigten gelungen, zahlreiche Betriebsratsgremien zu wählen. „Ein paritätischer Aufsichtsrat wäre eigentlich konsequent gewesen“, erinnert sich der langjährige H&M-Betriebsrat Damiano Quinto, der seit 2015 das Unternehmen als Sekretär für ver.di betreut.

Doch kaum wurde das Unternehmen aufgefordert, zog es die Vermeidungskarte. Im Oktober 2007 änderte der schwedische Konzern die Rechtsform seines deutschen Ablegers. Aus der Hennes & Mauritz GmbH wurde die Hennes & Mauritz B.V. & Co. KG. Sechs Buchstaben mit großer Wirkung: Bei der B.V. & Co. KG handelt es sich um eine niederländische Rechtsform. Das Unternehmen hat seinen Sitz nach wie vor in Hamburg – und kann sich dabei auf die durch die EU garantierte Niederlassungsfreiheit berufen. Statt des deutschen Mitbestimmungsgesetzes kommt nun niederländisches Gesellschaftsrecht zur Anwendung. Die Folge: Die Beschäftigten können keine Vertreter in den Aufsichtsrat senden. Ob das Unternehmen den Schwerpunkt seiner Geschäftstätigkeit in Deutschland hat oder nicht, spielt nach laufender Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) keine Rolle. Weiterlesen

An der Meinungsfront

Gewerkschaften stehen täglich im Konflikt mit Rassisten. Doch der Kampf gegen den Aufstieg der Rechten erfordert auch ein Ende der »Sozialpartnerschaft«

Von Jörn Boewe, junge Welt, Beilage »Antifaschismus«, 7. Mai 2016

Oktober 2015: »Wer hetzt, fliegt« – so der IG-Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. Beschäftigte, die mit rassistischen Pöbeleien andere Kolleginnen und Kollegen angehen und Belegschaften spalten, müssten mit Kündigung rechnen. Firmen könnten sich dabei auf die Unterstützung der Gewerkschaft verlassen. Weiterlesen

Kampf um die Köpfe

Auch in Betrieben nehmen die Vorbehalte gegen Zuwanderer und Flüchtlinge zu. Betriebsräte von BMW und TUI werben für Vielfalt im Dialog mit ihren Belegschaften und argumentieren gegen rechte Stimmungsmache

Von Jörn Boewe und Johannes Schulten, Magazin Mitbestimmung, 01/2016

Eine fremdenfeindliche Szene hat sich in Leipzig etabliert. Am 12. Januar feierte das Pegida-Franchise „Legida“ mit etwa 2500 Anhängern einjähriges Jubiläum, während zeitgleich 200 rechte Hooligans durch den links-alternativen Stadtteil Connewitz zogen und randalierten. Die „Alternative für Deutschland“ liegt laut Wahlprognosen in Sachsen bei 13 Prozent und damit gleichauf mit der SPD. Es ist Anfang Dezember 2015, als eine Betriebsversammlung im BMW-Werk Leipzig zu einem Lehrstück in Sachen Flüchtlinge wird. Vor den BMW-Arbeitern im Blaumann berichtet ein Referent über seine Erfahrung bei der Flucht aus der DDR über die Prager Botschaft nach Westdeutschland. Er vergleicht die hoffnungsvollen Erwartungen der Prager Flüchtlinge von 1989 mit der Situation der Geflüchteten, die heute nach Europa und Deutschland kommen. Eine „kontroverse Diskussion“ habe es im Vorfeld der Veranstaltung gegeben, sagt Jens Köhler, Betriebsratsvorsitzender von BMW Leipzig. „Wir waren ziemlich nervös.“ Vor allem aus Angst, dass es zu Zwischenrufen und Pfiffen aus der Belegschaft kommen könnte. Denn wie in vielen Städten Deutschlands polarisiert das Thema Flucht und Einwanderung auch in Leipzig, und das macht nicht vor dem Betriebstor halt.
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Fusionsfieber macht aggressiv

Innerhalb von nur anderthalb Jahrzehnten hat sich die Wohnungswirtschaft aus einem überwiegend gemeinwirtschaftlich organisierten Bereich der Daseinsvorsorge zu einem Haifischbecken aggressiver Übernahmeschlachten und skrupelloser Immobilienspekulation gewandelt. Präpotentes Auftreten am Markt, ständige Nervosität, nicht den Erwartungen der volatilen Finanzmärkte zu genügen und eine zwanghafte Kostensenkungsmanie produzieren Aggressivität nach innen, bringen pathologisches Verhalten hervor und vergiften nachhaltig das Klima in den Unternehmen. All das war keine naturwüchsige Entwicklung, sondern politische Absicht, Ergebnis einer kalkulierten Stategie von Politikern und Lobbyisten, die man vielleicht am besten als organisierte Wirtschaftskriminalität knapp unterhalb der Strafverfolgungsstufe beschreiben kann. Die Story muss erst noch geschrieben werden. Heute nur eine Momentaufnahme im neuen deutschland.

Ausbeutung mit System

Eine Regulierung von Leiharbeit und Werkverträgen hatte die SPD versprochen. Stattdessen wird es bei kleinen Korrekturen bleiben – ein Kniefall vor den Arbeitgebern

Von Jörn Boewe und Johannes Schulten, der Freitag 44/2015

Nach dem Mindestlohn hätte es der zweite große Wurf von Arbeitsministerin Andrea Nahles werden können: „Den Missbrauch von Werkverträgen und Leiharbeit werden wir verhindern“, steht im vor zwei Jahren zwischen Union und SPD geschlossenen Koalitionsvertrag. Einen lange angekündigten Gesetzentwurf dazu will Nahles in diesem Herbst endlich vorlegen. Doch alles spricht dafür, dass der Entwurf sogar noch hinter die ohnehin zaghaften Eckpunkte des Koalitionsvertrages zurückfallen wird.
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„When a dog bites a man, that’s not news …

but when a man bites a dog, that’s news.“

So antwortete John B. Bogart, Redakteur der New Yorker  Zeitung The Sun, 1880 auf die Frage „What is news?“. Was Interesse finden soll, muss sich vom Alltäglichen unterscheiden.

Nicht nur Zeitungsverleger und PR-Agenten, auch Betriebsräte und Gewerkschafter sollten die „Man-bites-dog“-Formel im Hinterkopf behalten, wenn sie die Öffentlichkeit – oder auch „nur“ die Kolleginnen und Kollegen im Betrieb – für ihr Anliegen gewinnen wollen.

Tafel-4-Interesse-wecken-aber-wie-002Aber wie fängt man das an? Was muss in den ersten Satz? Wie kann man Texte einfach und sinnvoll strukturieren? Um diese Fragen ging es in unserem Schreib-Workshop für Betriebsräte und aktive Kolleginnen und Kollegen, den wir letzte Woche in Lüdenscheid, NRW, moderiert haben. Weiterlesen

Werkverträge: Die Strategie des „Onsite-Outsourcing“ hat viele Facetten

Betriebsräte, die den Missbrauch von Werkverträgen unterbinden wollen, sind auf sich allein gestellt. Im Koalitionsvertrag wurde versprochen, per Gesetz Abhilfe zu schaffen. Bislang ist unklar, wann das Versprechen eingelöst wird. Jörn Boewe hat sich im aktuellen Magazin Mitbestimmung einige sehr unterschiedliche Beispiele für Werkverträge in der Grauzone zwischen Legalität und Missbräuchlichkeit genauer angesehen.

Vom selben Autor: „Es geht auch anders“, eine Geschichte über erfolgreiches Insourcing bei Opel und der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft. Wo Betriebsräte und Gewerkschaften stark sind, können sie Unternehmen dazu bewegen, Tätigkeiten in den Betrieb zurückzuholen. Auch dann, wenn es der Firma gerade nicht rosig geht.

Problemfall Werkvertrag

Durch Outsourcing an Subunternehmer drücken viele Unternehmer Löhne und Sozialstandards. Oft sind diese Konstruktionen rechtswidrig – und dennoch schwer angreifbar. Das will die Bundesarbeitsministerin jetzt ändern. Eine wirksame Eindämmung des Werkvertragsmissbrauchs erfordert jedoch weitergehende Maßnahmen.

Dazu ein aktueller Artikel von uns im DGB-Debattenmagazin gegenblende.de

„Das ist unser Haus“

Schließung oder Zukunft? Bis Mittwoch entscheidet der ver.di-Gewerkschaftsrat über die Zukunft des Instituts für Bildung, Medien und Kunst in Ostwestfalen

(…) Im Teutoburger Wald liegt das Institut für Bildung, Medien und Kunst – eine von zehn Bildungsstätten der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. 1954 bauten es die Mitglieder des grafischen Jugendvereins der örtlichen IG Druck und Papier auf – als Erholungs- und Schulungsheim in Lage-Hörste, einem Ort der vielen Gewerkschaftern ein Begriff ist.
14271132682_817d202dcc_z Seitdem ist viel passiert. Die „DruPa“ ging 1985 in der IG Medien und 2001 in ver.di auf, ganze Berufsgruppen wie die kampfstarken Setzer sind verschwunden. Heute krempeln digitale Revolution und Internet die Medienlandschaft um, die Auflagen der Tageszeitungen sinken, und niemand weiß, welches Schicksal den Druckern winkt. Doch zwei Dinge sind geblieben: Hörste ist immer noch ein Zentrum der Reflexion und Strategiediskussion für die Beschäftigten der Druck-, Papier- und Verlagsbranche. Und es ist immer noch ein Ort, wo große gesellschaftspolitische Themen auf der Agenda stehen: „Einführung in die Kritik der politischen Ökonomie“, „Teufelstanz auf dem Finanzparkett“ heißen die Seminare oder „Gegenentwürfe: Rückeroberung der Kommunen durch die Bürger“. Weiterlesen

Blackbox Werkvertrag

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Von links: Meinhard Geiken (Bezirksleiter IG Metall Küste), Stefan Puls (Radio Bremen), Andrea Nahles (Bundesministerin für Arbeit und Soziales), Jörn Boewe (Journalistenbüro work in progress). Foto: Peter Bisping

»Werkverträge – wie weiter?« – das war das Thema einer Diskussionsrunde mit Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD), Meinhard Geiken, Bezirksleiter der IG Metall Küste, Nordmetall-Hauptgeschäftsführer Nico Fickinger, Christiane Brors, Professorin für Arbeitsrecht an der Universität Oldenburg und Jörn Boewe vom Journalistenbüro work in progress am Freitag auf einer Betriebsrätekonferenz der IG Metall Küste in Bremen. Weiterlesen